Unbeugsame Widerstandskämpfer

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q5helgi Avatar

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Imbolo Mbue hat ein sehr faszinierendes Buch über den Widerstand eines Volkes geschrieben. In Kosawa sterben die Kinder an den Folgen der auslaufenden Pipelines, die durch ihr Land gebaut wurden. Verschiedene Gruppierungen wollen den Unternehmer Pexton deshalb anklagen und führen Strategien durch, um ihr Ziel zu erreichen.
MBue hat eine klare Struktur in ihrem Buch und ihre Wortwahl ist präzise und äußerst bewusst. An den technischen Entscheidungen merkt man die Absicht der Autorin, dieses Thema in verständlichen Worten zu ergründen, und jedes Ereignis nachvollziehbar darzustellen.
Sie scheut nicht vor Kritik zurück was z.B. die Zusammenarbeit der EU mit den afrikanischen Staaten angeht. So schreibt sie auf S. 253: „Regierungen und Konzerne sind auch in diesem Land Freunde. Regierungen lehnen sich zurück, während Konzerne Menschen in Ketten legen und in Knechtschaft zwingen.“ Sie spricht auch die Rolle des Staates an, hier den amerikanischen Staat: „Wie kann es sein, dass ihre Regierung, die eigentlich Diener sein soll, sich aufführt wie ihr Herr?“ (S. 254-55). Der Widerstand und die Möglichkeiten dazu bzw. die Handlungen, die zu einem politischen Systemwechsel führen könnten, werden in diesem Roman über Jahre hinweg angesprochen. Wie sie auf Seite 418 jedoch erwähnt, bleibt die Frage nach den Optionen eines Bottom-Up-Prozesses in der Politik: „Was konnten Protestierende einem Regime schon anhaben?“ Oder Mbue legt dem Präsidenten diese Worte in den Mund: „Wer sich gegen mich erhebt, erklärte er, wird sich nie wieder erheben.“
Doch neben dem Widerstand bleibt das Hauptthema die Freiheit. Für wen kämpft man? Für die Familie oder das Land, die Heimat? Wodurch werden die Menschen glücklich? Was ist Freiheit? Bevor das Buch endet, schreibt Mbue: „Was heißt es, frei zu sein? Wie verhalten sich Menschen, wenn sie plötzlich glauben, dass ihre Definition von Freiheit greifbar ist?“ (S. 383)
Diese Freiheit schließt auch die Freiheit der Frauen ein. „Findest du nicht (…), dass du anfangen solltest, nach deinen eigenen Regeln zu leben?“ (S. 210) Das sagt eine Frau zu der Mutter der Protagonistin.
Die Autorin schafft es so zu erzählen, dass man die Wut des Volkes verstehen kann, sogar zu dem Punkt, wo sich der Zorn und der Hass im Töten entlädt. Man ist der Bevölkerung und dem Land so nahe, dass man selbst den Akt des Mordes nachvollziehen kann. Dabei ruft Mbue in ihrem Roman nicht zu einem gewalttätigen Protest auf, sondern verdeutlicht nur das Dilemma dieses Dorfes, ihre Machtlosigkeit. Wer ist im Recht? Das amerikanische Unternehmen und die Regierung des afrikanischen Staates, oder das Volk. Es werden politische Begriffe und Prozesse hinterfragt. Es wird auf den Wandel eingegangen, der mit der Zeit eintrifft. Alles hängt zusammen, doch wie kann man sich davon lösen und einen neuen Weg bestreiten? Mbue hat einen Roman des Widerstands geschrieben, der viele politische Aspekte bespricht, wütend macht ob der Machtlosigkeit eines kleinen Volkes, und in aktuellen Zeiten nicht wegzudenken ist.