Weltkonzerne und korrupte Regierungen

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kleine hexe Avatar

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Erinnert Ihr Euch an die Aktionen von Shell im Nigerdelta? Oder an Exxon Mobil, auch im Nigerdelta? Defekte veraltete Pipelines, kaputte nie erneuerte Bohrköpfe, Erdgase, die abgefackelt wurden und dadurch die Luft verpesteten, auf Jahrzehnte hinaus verseuchter Ackerboden, Massensterben der Fische im Fluss, unzählige Tote, Kinder und Erwachsene, weil sie verunreinigtes Grundwasser tranken und die Ernte ihrer Äcker vergiftet war. Dabei hatte Shell noch die Chuzpe, sich zu beschweren, wieso Shell zur Verantwortung gezogen wird, wenn die Umweltkatastrophe von einer Shell-Tochter in Nigeria verursacht wurde. Shell hat doch bitte schön eine blütenreine Weste.
Klingt bekannt? Genau diese Sachlage beschreibt Imbolo Mbue in ihrem wunderbaren, grausamen und zugleich wunderschönen Roman „Wie schön wir waren“.
Doch warum im fernen exotischen Afrika nach Umweltverschmutzung suchen? Wie war das in Rumänien, einem EU-Land, in Baia Mare, als ein australisch-rumänischer Konzern (der rumänische Anteil war verschwindend gering) das Auffangbecken mit Natrium-Cyanid Schlamm einer Goldmine durch fehlende Wartung bersten ließ? Der Damm zerbrach, das ganze Cyanid ergoss sich in die Flüsse, die dann in der Theiss alles Leben erstickten und dann in der Donau, in Ungarn, Serbien, Rumänien und Ukraine das große Fisch- und Pflanzensterben auslöste. Die Auswirkungen des Cyanids im Schwarzen Meer wurden nicht weiter untersucht, weil zu schwierig, aber da muss es auch welche gegeben haben.
Oder in den USA? Wir kennen alle den Film Erin Brockovich. Drei Jahrzehnte lang hat die Firma Pacific Gas and Electric in Hinkley (CA) bewusst ungefiltert hochgiftiges Chrom (VI) in den Boden sickern lassen und das Grundwasser verseucht. Menschenleben? Solange der Profit stimmt, unwichtig.
Das fiktive afrikanische Dorf Kosawa ist überall. Überall dort wo internationale Konzerne und korrupte Politiker eine unheilvolle Allianz eingehen, ob es in Rumänien, Indien, Bangladesch, afrikanische Länder oder China geschieht.
Was dieses Buch so einzigartig macht, ist der Schreibstil. Mbue lässt die Dorfbewohner zu Wort kommen, mit seinen Nöten, Problemen, Erinnerungen, Mutlosigkeit, Verzweiflung, Hoffnungen und Schmerzen. Der schier aussichtslose Kampf des David gegen Goliath wird aus der Sicht der Kinder von Kosawa geschildert, der Erwachsenen, der Großeltern. Dabei wissen die Großeltern, dass der Ölkonzern „Pexton“ nicht der erste war, der Unheil brachte. Vor langer Zeit kamen Häscher, fingen die Menschen ein, erschlugen die Greisen und die Säuglinge, und führten die Menschen im arbeitsfähigen Alter angekettet fort, woher sie niemals wiederkehrten. Dann kamen Europäer, zwangen die Dorfbevölkerung auf Kautschukplantagen bis zur totalen Erschöpfung zu arbeiten. Alle kommen zu Wort in diesem Buch. Eine zentrale Stelle nimmt Thula ein. Hochintelligent, hat sie die Chance die weiterführende Schule in einer Stadt in Afrika zu besuchen und dann erhält sie ein Stipendium um in New York (von den Kosowanern „Große Stadt“ genannt) zu studieren. Thula kehrt zurück und setzt den Kampf mutig gegen Pexton fort.
Sprachgewaltig und beeindruckend, lässt dieser Roman den Leser nicht mehr los. Manche Passagen, in denen sich die Bewohner dieses kleinen Dorfes versuchen das Leben und die Gedanken der Amerikaner vorzustellen und sich zu erklären, habe eine gewisse Naivität und Tragikomik, man muss trotz allem verhalten lächeln. So auch die unverständlichen Missionierungsversuche der Europäer, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind: „…jemandem, der vor langer Zeit übers Wasser gelaufen war, ein Mann mit zwölf Freunden, die ihm überallhin folgten. Das Lied ergab überhaupt keinen Sinn….Während wir ihnen zuhörten, fragten wir uns, warum ihr Geist so verbittert und irrational war.“ (S. 268). Dieser lapidaren Definition des Christentums ist nichts mehr hinzuzufügen.