Charmante kleine Geschichte aus einem elsässischen Dorf

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emma winter Avatar

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Claire Stihlés Roman „Wie uns die Liebe fand“ sieht im Original viel schöner aus, als auf den Abbildungen. Schrift und Blütenblätter in Prägedruck leuchten und glänzen.

Die Handlung spielt in dem kleinen Ort Bois-de-Val im Elsass. Madame Nan ist bereits 92 und hat ihr ganzes Leben dort verbracht. Als junge Witwe mit vier Kindern hat sie es nicht leicht gehabt, dennoch ist sie ein optimistischer Mensch geblieben, der sich den Herausforderungen des Lebens stellt. Als sie unverhofft zu einem Ladenlokal kommt, ändert sich das Leben der Familie von Grund auf. Dazu kommt eine Erfindung, die ihrer ältesten Tochter Marie gemeinsam mit ihrem Freund Malou für den Laden anfertigt: Un couple d‘une petite bombe d‘amour - ein Paar Liebesbömbchen. Mit Hilfe von Voodoo sollen so zwei Liebende, die für einander bestimmt sind, zueinanderfinden. Anne, die Zweitälteste der Töchter, ist bereit, die Wirksamkeit zu testen. Was dann folgt, bringt das ganze Dorf durcheinander und sorgt für Sinnverwirrungen und Leidenschaft. Einzig die Gefühle von Madame Nan für den früheren Ladenbesitzer Monsieur Boberschram kommen nicht so recht ans Ziel.

Was sich zunächst anhört wie die Beschreibung der fünfzigsten Variante von „Die kleine Bäckerei am Strandweg“, ist in der Ausführung - inhaltlich und stilistisch - jedoch merklich anders.

Die Ich-Erzählerin berichtet als 92jährige rückblickend über ihr Leben, hauptsächlich aus dem Jahr 1979, als die Familie den Laden übernahm und sie die 50 bereits überschritten hat. Im Verlauf der Handlung werden aber auch immer wieder die Zeit der Besatzung, des Krieges und die Nachkriegszeit thematisiert. Das verschafft der Geschichte natürlich auch tragische Szenen. Insgesamt ist der Roman aber optimistisch und das Thema Liebe dominiert. Gut gefallen hat mir, dass es hauptsächlich um ältere Semester geht, die die Liebe finden (sollen).

In ruhigen Worten wir hier eine kleine Geschichte erzählt, das Buch hat gerade mal 268 Seiten. Die Protagonistin berichtet über ihre Familie, die vier Töchter, Schicksale aus dem Dorf und über das typische regionale Essen. Das verschmilzt zu einem Lebensbericht, den ich sehr gerne gelesen habe. Madame Nan und ihre Kinder waren mir sympathisch und ich habe mitgefiebert, wie sich die Gefühle zwischen ihr und Monsieur Boberschram entwickeln. Die Beschreibungen und Rückblicke lassen die Handlung entsprechend langsamer vorankommen. Es gibt überraschende Wendungen, die für etwas Pep sorgen, insgesamt möchte ich die Handlung aber als gemächlich bezeichnen.

An den Schreibstil musste ich mich erst gewöhnen. Ich mag es nicht, aus dem Buch heraus als Leser*in direkt angesprochen zu werden. Das nimmt ein bisschen die Möglichkeit, völlig in einer Geschichte abzutauchen. Es gibt viele kurze Sätze, die irgendwie den harmonischen Lesefluss bremsen. Die Sprache habe ich eher mit der gut 50jährigen Madame Nan zusammengebracht, als mit einer über 90jährigen. Was mich aber wirklich genervt hat, war - besonders im ersten Teil - die ständige Wiederholung von „Bernhard, Gott hab ihn selig“.

Man merkt dem Roman an, dass die Autorin selbst aus dem Elsass kommt. Mit viel Liebe werden die Gegend, das Essen und die Traditionen beschrieben. Die Sprache, die Störche und die wechselhafte Geschichte dieses Landstriches liegen Stihlé am Herzen. Am Ende des Romans sind auf 30 Seiten typische regionale Gerichte abgedruckt, die auch in der Handlung vorkommen. Eine schöne Idee.

Insgesamt kann ich eine klare Leseempfehlung aussprechen. Es ist ein ruhiger, kleiner Roman, der sich flott lesen läßt. Die Geschichte über Madame Nan, die vier quirligen Mädchen, Liebesverstrickungen, Voodoo und einer verschwiegenen Vergangenheit, die es zu bewältigen gilt.

Wer allerdings eine Strandweg-Bäckerei-Variante erwartet, wird sie hier nicht finden.