Wo ist die Geschichte?

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Elsass 2019: Die 92-jährige Ich-Erzählerin Marie-Anne Nanon möchte uns über das Jahr 1979 erzählen, in dem sich vieles für sie und ihre vier Töchter (allesamt Kopien von Madame Nan) änderte. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie sich mit ihrer Familie mehr schlecht als recht über Wasser gehalten. Als ihr von Monsieur Boberschram der heruntergekommene Lebensmittelladen geschenkt wird, wendet sich das Blatt schlagartig. Nach einer gelungenen Erneuerung und Verschönerung, wird "Chez Malou" geradezu von Kundschaft überrannt. Das liegt nicht nur an dem einladenden Ambiente des Ladens, der außergewöhnlichen Schönheit der Bedienung und an Madame Nans kleinen Magenfüllern, die sich äußerster Beliebtheit erfreuen, sondern an einer Erfindung Maries (Madame Nans ältester Tochter) und ihres Freundes Malou: den sogenannten Liebesbomben, die nicht nur das Geschäft florieren lassen, sondern auch das ganze Dorf in einen sinnenfreudigen Liebestaumel versetzen. Alle, bis auf Madame Nanon selbst, die ihre plötzliche Liebe für Monsieur Boberschram entdeckt, der sich ihr gegenüber seltsam verhält. Während Madame Nan immer wieder Ereignisse aus dem Jahr 1940 Revue passieren lässt, nähern wir uns gemeinsam dem Geheimnis, der hinter Monsieur Boberschrams seltsamen Verhalten steckt.

In das Cover von "Wie uns die Liebe fand" habe ich mich direkt verguckt. Bevor ich mit dem Lesen begonnen habe, bin ich erstmal lange mit den Fingern über den Buchdeckel gefahren: Nicht nur die Schrift ist geprägt, sondern auch die farbigen Blütenblätter, sodass sie sich im Gegensatz zu den graugefärbten Blättern "frisch" anfühlen. So wie einige unserer Erinnerungen frisch und andere verblasst sind. Eine schöne Idee.

So sehr mir das Äußere des Romans gefallen hat, so sehr habe ich mir gewünscht, dass der Inhalt mich ebenfalls für sich einnehmen würde. Leider war dem nicht so. Das gesamte Buch über habe ich auf die "Geschichte" gewartet, die uns Madame Nan unbedingt erzählen wollte. Dass die Familie Nan einen Laden betreibt und dort Liebesbomben anbietet, die ganz Bois-de-Val in ein "Freudendorf" verwandelt, ist für mich noch keine Handlung. Gut, es gibt da noch den Witwer Boberschram, für den Madame Nan plötzlich Liebe entwickelt, der eine Zeitlang zum Essen kommt, dann nicht mehr und irgendwann wieder auftaucht, um etwas zu beichten, das 1940 passierte. Und natürlich werden sie am Ende doch noch ein Paar. Diese "Geschichte" wird allerdings in ellenlangen Beschreibungen von Banalitäten ertränkt, sodass man am Ende erschlagen nur noch kapitulieren kann. Allein die Verbindung der beiden Zeitebenen und Handlungsstränge von 1940 und 1979 beißt sich: der Ton passt oft zum Erzählten nicht und das Geschehen wirkt nicht authentisch. Reaktionen und Gefühle werden theatralisch und übertrieben dargestellt, die Figuren sind eindimensional und überzeichnet - das alles umrankt von ausschweifendem, blumigem Schreibstil. Es tut mir leid, aber dieses literarische Debüt ist reinster Kitsch.