Ein spannender und liebenswerter Kinderkrimi, der ein bisschen zuviel will

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
marga_pk Avatar

Von

Man erkennt es bereits am Cover: Hier agiert eine Kinderbande. Eigentlich sind es die Geschwister Himmelweit, Emmi, die Ich-Erzählerin ist 12, ihre Schwester Sofi ist 16 und hat schon einen Freund, Sam ist 14, Jo ist 10, Hummel ist 7 und die kleine Lany ist 5. Und dann gibt es noch Familienhündin Bella. Und natürlich Mama, die halbtags arbeitet und sich um Haushalt, Hof und Kinder kümmert, und Papa, der als Medieninformatiker sogar Computerspiele programmieren kann.
Für ein modernes Kinderbuch eine etwas traditionelle Rollenverteilung, auch sind die Himmewelweits eine sehr gläubige christliche Familie (es wird ziemlich viel gebetet). Ansonsten sind die Eltern durchaus modern, die beiden lassen ihrem Nachwuchs viel Freiheit, setzen auf einen partnerschaftlichen Erziehungsstil mit viel Vertrauensvorschuss und mischen sich nicht in die Geheimnisse ihrer Sprösslinge ein. Und Geheimnisse gibt es zu Ferienbeginn genug.
Dabei fängt alles ganz harmlos an.

Eigentlich möchte Emmi nur eine Petition starten, um zu erwirken, dass die Lebensmittel nicht mehr in so viel Plastik verpackt werden. Doch das mit der Unterschriftenliste stellt sich als größere Herausforderung dar als gedacht. Der Erste, der Emmi die Tür öffnet, ist nämlich ausgerechnet ihr heimlicher Schwarm Luka. Währenddessen werden Emmis Brüder, die vor dem Supermarkt auf die Petition aufmerksam machen, gleich mal vom Marktleiter vertrieben. Doch die Geschwister geben nicht so schnell auf, und so führt bald eines zum anderen. Zum Beispiel dazu, dass Hündin Bella angefahren wird. Oder auch dazu, dass Jo in den Teich fällt und gegen eine seltsame Kiste stößt. Ob diese einen Schatz enthält? Und was hat der griesgrämige alte Müller mit der Kiste zu tun? Ganz schön unheimlich, vor allem, als die Kinder dann noch von Schüssen erfahren. Aber die Geschwister sind natürlich viel zu neugierig, um locker zu lassen, und so stecken sie schon bald in großer Gefahr …

Anni E. Lindner hat einen spannenden Kinderkrimi geschrieben, der vor allem durch seine liebenswerten Charaktere besticht. Als Leserin bin ich sofort in die Handlung gekippt, besonders gut gefiel mir, dass Emmi ihre Leser:innen immer wieder direkt anspricht und ins Vertrauen zieht (oder auch bittet, nichts weiterzuerzählen, schon gar nicht ihrem Schwarm Luka).
Die Illustrationen lockern den Text zusätzlich auf. Vor allem das Cover fängt die Stimmung gut ein, auch wenn ein Kind fehlt. Ein großes Lob an dieser Stelle an die Grafikerin, einen so langen Titel ansprechend zu gestalten, muss man mal schaffen.

So kurzweilig ich die Geschichte insgesamt fand – inhaltlich haben mich dann leider doch ein paar Dinge gestört. So heißt es zu Beginn, Sofis Freund sei für 3 Monate in Amerika, mittendrin wird aus diesen 3 Monaten plötzlich ein ganzes Jahr. Auch der Tipp, als Großfamilie das Geschirr lieber mit der Hand abzuwaschen, anstatt in den Geschirrspüler zu räumen, hat mich irritiert, da die Expert:innen seit Jahrzehnten genau das Gegenteil behaupten.
Vor allem aber habe ich mich gefragt, warum die Autorin nicht bei der Umweltthematik geblieben ist, anstatt – durch den Fund des Bernsteinzimmers – das sensible Thema Nationalsozialismus anzuschneiden. Wie nebenbei wird die Ermordung derjenigen, die das Bernsteinzimmer angeliefert haben, erwähnt, auch der Holocaust wird in einem Nebensatz abgehandelt. Und genau hier sehe ich die Problematik des Buches. Zumal der Krimi genauso spannend gewesen wäre, wenn die Kinder sich ausschließlich um die geheime Mülldeponie gekümmert hätten. Weniger wäre hier eindeutig mehr gewesen, so bleiben beide Themen leider an der Oberfläche.

Fazit: Das Buch ist sehr charmant und auch spannend geschrieben, sodass ich es trotz meiner Einwände durchaus empfehlen möchte. Allerdings rate ich Eltern, mit ihren Kindern mitzulesen, um die aufgeworfenen Themen im Anschluss besprechen zu können.