Humorvolles und zugleich ernsthaftes interkulturelles 'Schelmenstück' ;)

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
swansea Avatar

Von

Der Roman erscheint im Februar 2016 als HC-Ausgabe im HAYMON-Verlag, Innsbruck-Wien und kommt in einem sehr passenden Cover daher, das fast an den (türkischen) 'Kleinen Prinzen' erinnert und auf dem Buchrücken das Bild des Autors Selim Özdogan, *1971 als Sohn türkischer Eltern in Köln trägt, der auch heute noch dort lebt.Durch den weißen Mond auf rötlichem Grund und den Namen des Autors ist dem Leser schon klar, um welche beiden Länder, welche Kulturen es hier geht: Der deutschen und der türkischen - und: der türkisch-deutschen ;)

"Krishna Mustafa ist Deutscher und Türke gleichzeitig- zumindest sagen das seine beiden Reisepässe. Geboren wurde er in Istanbul, wo sich seine Mutter auf der Rückreise vom Hippie-Paradies Indien in seinen Vater verliebte, später lebte er in Freiburg. Bis zu dem Tag, an dem ihn seine Freundin Laura verlässt, weil er seine Identität noch nicht gefunden habe. Also tauscht Krishna Mustafa kurz entschlossen mit seinem türkischen Cousin das WG-Zimmer und reist nach Istanbul. Dort will er seinen Vater endlich wiedersehen und das Land kennenlernen, in dem er seine ersten Lebensjahre verbracht hat. Voller Neugier auf das Leben lässt sich Krishna auf ein turbulentes Abenteuer zwischen den Kulturen ein. (.....) "Quelle: Klappentext

Meine Meinung:

In den 24 Kapiteln, die kurz gehalten sind, es aber thematisch 'in sich haben', nimmt der Leser an den Erfahrungen von Krishna, der 6 Monate nach Istanbul reist und währenddessen sein Zimmer in Freiburg dem sonst in der Türkei lebenden Cousin Emre überlässt, teil....
Beide wundern sich - nicht zu Unrecht - über vieles; der eine (Emre) über die Deutschen und deren Verhältnis zum Biertrinken oder der Mülltrennung, der türkischen Comedy-Stars in Deutschland, die die eigenen Landsleute im TV nach allen Regeln der Sprachkunst 'auf die Schippe nehmen' , der andere (Krishna) über die schlechte Schokolade in der Türkei (und er liebt Schokolade sehr!), die Ängste seiner Freunde vor der Polizei und deren locker sitzenden Knüppel oder Tränengas-Einsätze in der Türkei, der Geschichten um den Harem, dem unterschiedlichen Leben von Straßenkatzen in Istanbul oder Freiburg etc. - wobei der "Chor der Einäugigen" mithilft, die vielfältigen Themen anzusprechen und sie genauer zu betrachten...

Der Roman ist trotz allen Humors und Sprachwitz nicht unpolitisch, da eine Freundin von Krishna tatsächlich mehrere Tage spurlos verschwindet..

Mir gefiel besonders der Stil bzw. Jargon des Autors, der etwas schnoddrig zuweilen sehr leicht und flüssig zu lesen ist, Humor und auch Tiefgang besitzt: Hinter vielen humorvollen Dialogen steckt jedoch viel Wahrheit!
Das letztendlich noch stattfindende Treffen Krishnas mit seinem Vater stellt ebenfalls gut dar, wie sehr die Welt aus den Fugen oder auch bis dahin gültige Werte sich ins Gegenteil verkehren können, wenn ein Kulturwechsel stattfindet: Krishna sucht offenkundig überall nach seiner Identität, findet jedoch in der Türkei u.a. etwas, womit er selbst vielleicht gar nicht gerechnet hat: Sich selbst ;)

Das "letzte und längste Kapitel" hat mich besonders zum Schmunzeln gebracht (und auch zum Staunen ;), denn endlich erfährt der Leser, was es mit Krishna's Bauen all der Brücken und Gebäude auf sich hat!

Fazit:

Dieser Roman lebt von der Lebendigkeit der Sprache und der Dialoge; Selim Özdogan versteht es hervorragend, Humor und Sprachwitz gleichbedeutend mit einer gedanklichen Tiefgründigkeit zu verbinden, die die Gegensätze in den Kulturen bestens darstellen (und auch ihre Gemeinsamkeiten) und zum Nachdenken anregen.
Mir gefielen besonders die skype-Gespräche zwischen Krishna und Emre, da sie sehr authentisch 'rüberkommen' und mehr als zum Schmunzeln sind.
Eine absolute Leseempfehlung für kulturell interessierte LeserInnen, die Krishna auf seiner turbulenten Identitätssuche und Reise in die Türkei begleiten möchten sowie eigene Vorurteile abbauen oder überdenken möchten. Bestens geeignet auch zur Verbesserung interkultureller Kompetenzen (hochaktuell damit und auch in der Zukunft weltweit) - hier auf witzige, provokante und humorvolle Art!
Von mir gibt es daher 4 Sterne und 89° auf der Werteskala.