Poetisch, lebendig, bunt!

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petris Avatar

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Krishna Mustafa hat allen Grund der Welt für eine Identitätskrise. Dabei hatte er diese erst bemerkt als ihn seine Freundin Laura mit den Worten verließ, er hätte seine Identität noch nicht gefunden.

Der Vater Türke, die Mutter ein deutsches Hippie-Mädchen, so kam er zu seinem Namen und dazu, dass er bis zur Einschulung in Istanbul aufwuchs und erst dann nach Deutschland kam. In der Türkei loben ihn alle für sein gutes Türkisch und in Deutschland für sein gutes Deutsch,… Wo ist also sein Zuhause, seine Heimat?

Um das endlich herauszufinden tauscht er kurzerhand mit seinem türkischen Cousin WG-Zimmer und macht sich in Istanbul auf die Suche nach seinen Wurzeln.

Wunderbar werden beide Kulturen beobachtet. Über Deutschland heißt es zum Beispiel: „Ohne Alkohol keine Gemeinschaftsgefühl, nirgends. Die halten Alkohol für einen atheistischen Gott. Und dabei wissen sie gar nicht, dass das Wort aus dem Arabischen kommt.“ S.143
Wir erfahren über die Proteste im Gezi-Park und auch was es bedeutet in der Türkei gegen den Präsidenten zu sein bzw. nur eine kritische Meinung zu haben.

Krishna findet neue Freunde, wird ein Stück weit erwachsen und lernt seinen Vater kennen. Spannend, bunt und lebendig. Man bekommt Lust auf Istanbul.

Großartig gefallen hat mir die Sprache, in der der Roman erzählt wird. Farbig, poetisch und trotzdem so jung wie sein Protagonist. Stellenweise gab es Sätze, die ich gleich mehrmals las, weil sie einfach so schön waren!
„Mein Vater und ich drücken uns ganz fest, und als wir loslassen, ist da Platz für ganz viel Freude.“ S.120
Oder auch:
"Irgendwann hing der Segen so schief, dass er vom Dach herunterstürzte, auf die Erde fiel und ein letztes Mal nach Luft schnappte. Man sah nur noch das Weiße in seinen Augen und dann starb er, ganz unchristlich, ohne Aussicht auf Wiederauferstehung." S.11

Alles in allem, ein wunderbarer Roman, den ich mit großem Vergnügen gelesen habe und wärmstens weiterempfehlen kann. Einziger Kritikpunkt: Die Einschübe, in denen der Chor der Ungläubigen (wie im antiken Drama) seinen Kommentar abgibt, fand ich zu viel des Guten und unnötig. Das stört aber auch nicht weiter, denn man kann sie ganz gut überspringen oder nur oberflächlich überfliegen.