Simplicissimus im 21. Jahrhundert

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amena25 Avatar

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Krishna Mustafa – schon der Name ist Programm. Als Sohn einer deutschen Hippie-Mutter und eines türkischen Vaters, in Deutschland mit Bio und Waldorf-Sozialisation groß geworden, lebt er ziellos und offensichtlich problemlos in den Tag hinein. Bis seine Freundin Laura der Meinung ist, dass er seine Identität noch nicht gefunden habe und ihn deswegen verlässt. Krishna war sich dieser „fehlenden“ Identität bisher wohl nicht bewusst, zumindest hat er nicht darunter gelitten. Nun macht er sich aber auf den Weg, tauscht mit seinem Cousin Emre das WG-Zimmer in Freiburg gegen eins in Istanbul. Dort stolpert er ziemlich ahnungslos und planlos durch die verschlungenen Wege der Stadt, verläuft sich und kommt auf vielen Umwegen irgendwo an, verpasst ständig seinen Vater, den er dort treffen will, da er trotz Stadtplan-App das richtige Starbuck-Café nicht findet.
Trotz – oder wegen? – seiner Naivität gelangt Krishna zu klugen Erkenntnissen, wie z.B. über Touristen (,,Touristen wollen ja im Urlaub meistens dasselbe machen, was sie zu Hause machen, nur mehr davon. Sie wollen mehr trinken, mehr feiern, mehr fernsehen, mehr essen, mehr Sex haben und mehr nichts tun.“S. 35). Seine kindliche Gutgläubigkeit lässt ihn bei einem Chat-Interview mit mehr oder weniger subtilen Fragen dann auch ziemlich ins Messer laufen, sodass er am Ende nichts ahnend als Gotteskrieger dasteht.
Parallel dazu erzählt ihm sein Cousin Emre über Skype, was ihn an deutschen Gegebenheiten verwundert, z.B. die Parallelen und Unterschiede von Kirchensteuern und GEZ-Gebühren.
Die Sprache ist farbig und bilderreich, hin und wieder auch sehr einfach und umgangssprachlich, auf jeden Fall aber abwechslungsreich.
Die Kapitelüberschriften sind ausführliche, manchmal aber auch rätselhafte Hinweise auf das Kommende. Immer wieder schweift Krishna weit ab von dem, was er eigentlich gerade erzählen wollte Das ist oft amüsant, manchmal aber auch etwas verwirrend.
Am Ende hat Krishna Mustafa zwar seine Identität immer noch nicht gefunden, dafür aber viel über die Türkei und Deutschland erfahren und so manch Skurriles erlebt.
Das Buch liest sich wie ein moderner Schelmenroman: ausschweifend, unterhaltsam, witzig.