Wieso Heimat, ich wohne zur Miete

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Ein Buch, das wohl schon durch seinen Titel Aufmerksamkeit erregt. Es geht um Krishna Mustafa, Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters, der in der Türkei aufgewachsen ist, doch mit Eintritt in die Schule mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen ist. Angeregt durch seine mittlerweile Ex-Freundin, die ihm vorgeworfen hat, dass er seine Identität nicht kennt, geht er für ein halbes Jahr nach Istanbul. Er lernt die Stadt, die türkische Kultur und seine türkische Familie kennen. Wir erleben mit ihm zusammen die türkische, aber auch die deutsche Kultur aus einer neuen Perspektive. Er geht interessanten Denkansätzen nach und macht interessante Entdeckungen. Humorvoll und doch so wahr auf den Punkt gebracht vermittelt er uns Einblicke in beide Kulturen und lässt uns an seinem Versuch teilhaben, sich zwischen beiden Kulturen irgendwie zugehörig zu finden.

Durch den humorvollen, gefühlvollen und ehrlichen Schreibstil war das Buch gut zu lesen. Krishna Mustafa ist ein interessanter Charakter mit einer etwas anderen Sicht auf die Dinge der Welt. Ich hab ihn zum Schluss doch liebgewonnen, auch wenn ich mich zwischendurch öfter mal über ihn aufgeregt hab. Wahrscheinlich möchte er damit provozieren, vielleicht ist er aber auch einfach so, aber manchmal ist mir seine Unfähigkeit, rhetorische Vergleiche zu verstehen auf die Nerven gegangen. Manchmal hatte ich den Eindruck, er macht sich dümmer als er in Wahrheit ist. Doch zum Schluss, als er auf dem Heimweg nach Deutschland ist und alles noch mal reflektiert, wird ja doch deutlich, dass er nun einiges besser versteht und durchaus in der Lage ist, Zusammenhänge zu erkennen. Auch für den Leser wird an der Stelle noch mal einiges klarer. Was es mit dem Chor der Einäugigen auf sich hat, hab ich allerdings bis zum Schluss nicht verstanden.

Wofür ich einen Punkt abziehen muss: die Nichtverwendung von Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede. Ich musste öfter ganze Passagen wiederholen, um zu erkennen, wann die wörtliche Rede aufgehört hat und wann Gedanken angefangen haben. Das gehört wahrscheinlich einfach zum Stil des Buches dazu, weil sich der Lese ja auch permanent in Krishna Mustafas Kopf befindet, in der es eigentlich keine wörtliche Rede gibt, doch für das Verständnis wäre es trotzdem hilfreich gewesen. Außerdem bin ich über den ein oder anderen Flüchtigkeitsfehler gestolpert, was den Satzbau angeht.

Insgesamt hat mir das Buch aber sehr gut gefallen. Es war interessant, einen etwas tieferen Einblick in die türkische Kultur und Geschichte zu bekommen. Die Themen, die dabei behandelt werden, sind aktuell und immer noch wichtig. Mit der richtigen Portion Humor war das Buch unterhaltsam und doch stellenweise ernsthaft und hat zum Nachdenken angeregt. So z.B. eines meiner Lieblingszitate aus dem Buch:

"Hoffnung bedeutet nicht, sich zu wünschen, dass alles gut ausgeht. Hoffnung bedeutet, dass alles am Ende einen Sinn hatte." (S. 190)