Zwischen zwei Ufern

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Zwischen  zwei  Ufern

In Selim Özdogans neuem Roman „Wieso Heimat, ich wohne zur Miete“ geht es um die Suche eines jungen Mannes nach seinen Wurzeln. Krishna Mustafa wurde 1990 als Sohn einer deutschen Mutter- Maria -  und eines türkischen Vaters – Recep – geboren. Seine Eltern blieben sieben Jahre zusammen, bis sie sich kurz nach dem Umzug von der Türkei nach Deutschland wegen unüberwindlicher Differenzen trennten. Der Sohn hat seinen Vater viele Jahre lang nicht gesehen. Er ist Anfang 20, Student in Freiburg, als ihn seine Freundin Laura verlässt, weil er angeblich seine Identität noch nicht gefunden hat. Krishna Mustafa beschließt, mit seinem Vetter Emre – ebenfalls Student – die Zimmer zu tauschen und eine Weile in Istanbul zu leben.  Der  Leser begleitet den Protagonisten bei seiner Erkundung Istanbuls, bei seltsamen Begegnungen und der Konfrontation mit Vorurteilen und Klischees. Krishna Mustafa lernt Emres Mitbewohner kennen, trifft nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen seinen Vater und dessen neue Familie und erfährt eine Menge über die Türkei, vor allem über Erdogan und die Ereignisse im Gezi-Park.

All das wird nicht trocken vermittelt, sondern überaus unterhaltsam und witzig mit vielen Wortspielen und Wortneuschöpfungen. Besonders amüsant sind das Scheitern der Beziehung der Eltern, wo der Hausfrieden ohne Aussicht auf Wiederauferstehung ums Leben kommt (S. 11) oder die Ausführungen über Fußgeruch auf dem Boden der Moschee, wo Krishna Mustafa so auffällig betet, dass er später darauf angesprochen wird („Ich liege mit der Stirn auf dem Boden und denke über Gott nach. Er hat sicherlich nichts gegen Fußgeruch. Er hat ihn schließlich erfunden.“ S. 23). Sehr komisch ist auch Özdogans Spott über Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. Seine Roman zu lesen sei, wie durch eine endlose Wüste aus Watte zu gehen: "Am Ende weiß niemand mehr, ob die Erde eine Kugel ist, und wenn ja, ob es die war, mit der Kennedy erhängt wurde." ( S. 124).

Am Ende seiner Reise wird der Protagonist Antworten gefunden haben, wenn auch nicht auf seine ursprünglichen Fragen. Er wird für immer zwischen zwei Welten leben – genau wie der Autor: „Du bist kein Türke, du bist auch kein Deutscher. Du bist jemand zwischen zwei Ufern. Aber das ist nicht schlimm, du kannst ja schwimmen. Und was die Leute auf der einen oder der anderen Seite dir zurufen, kann dir egal sein.“ 

Özdogans Roman unterhält und regt zum Nachdenken über Vorurteile und Klischees an. Mir hat das Buch gut gefallen.