Irgendwo in Afrika

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gkw Avatar

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Wade Thompson ist in Westafrika im fiktiven Land Alcacia aufgewachsen. Vor 15 Jahren sorgte seine Tante während der Revolutionswirren dafür, dass er das Land verlassen konnte. Seither lebt er in England und ist zufrieden mit seinem Leben. Als seine Tante stirbt, fliegt er zurück nach Alcacia zur Beerdigung. Dort trifft er auf einen unangenehmen Bekannten aus seiner Schulzeit und fühlt sich genötigt, ein wenig aufzutrumpfen. Er erzählt, er sei Detective bei der Londoner Polizei, tatsächlich arbeitet er als Wachmann in einem Einkaufszentrum. Und schon geht alles schief. Er wird gezwungen, den Mord an einem Politiker aufzuklären und gerät zwischen zwei Rebellengruppen. Nun muss er sehen, wie und ob er da wieder herauskommt...
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Alcacia - ein schöner Name für ein schlimmes Land. Da reicht es nicht, nur eine Person zu bestechen, um in plausibler Zeit das Flughafengebäude verlassen zu können. Wenn man am Strand entlangläuft, findet man Metallteile abgestürzter Verkehrsmaschinen. Area Boys lungern überall herum, die einem das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Die Mütter knipsen den Babys die Ohren ab, weil kleine Ohren als schön gelten und schon die Kinder berauschen sich:
"Diesel", sagte der Mann zu meiner Rechten.
"Ein Drink oder was?"
"Nein, so was wie Benzin. Sie schütten was davon in eine Dose, stellen die in die Papiertüte, inhalieren, lehnen sich zurück und werden high."

Wade ist ein Holloway Kind (was das ist, wird auch im Buch erst recht spät erklärt, darum verrate ich es hier nicht) - das prägte seine Kindheit und auch die Art, wie Menschen ihn behandeln.
Kein Wunder, dass Wade ab der Ankunft nur an die Rückreise denkt:
"Ich musste nur zwei Tage überstehen. Achtundvierzig Stunden, dann war ich wieder in London, in meinem richtigen Leben.
Ich konnte die Abreise gar nicht erwarten."

Aber dann gerät er mitten zwischen die Peoples Christian Army und Liberation Front of Alcacia, beide Gruppen wollen, dass er einen Mord der jeweils anderen Gruppe anhängt. Er trifft seine Exfreundin und sie macht es ihm leichter, als er es sich hätte vorstellen können. Sein Leben ist gefährlich und kompliziert, aber im positiven Sinne auch aufregend geworden.
"Ich dachte an mein Leben in London. Nie und nimmer würde ich dort zu fünfundzwanzigtausend Dollar kommen, steuerfrei. Ich würde in einem feuchtkalten Einzimmerapartment in Hammersmith versauern, Bohnen aus der Dose in mich hineinstopfen, Reality-Shows glotzen und mir überlegen, welche Uniform ich am nächsten Tag zu meinem belanglosen Job im Supermarkt anziehen sollte, wo ich zusah, wie cracksüchtige Ladendiebe mit Waren davonspazierten, und nichts dagegen unternahm."


Das Buch bietet Einblicke in eine Welt voller Armut, Bandenkriege und Korruption, die uns nicht wirklich bekannt ist und auch eher selten in Büchern vorkommt, die bei uns erscheinen.
Tade Thompson ist in Nigeria aufgewachsen und weiß vermutlich, wovon er schreibt.

Dieser Blick in den fremden Kulturraum ist das, was diesen Thriller außergewöhnlich und interessant macht. Mir persönlich waren manche Szenen zu brutal, andere Abschnitte, in denen der Tonfall flapsiger wird, gefielen mir besser.

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INFORMATION
Die Deutsche Erstausgabe erschien 2021 beim Suhrkamp Taschenbuch Verlag, übersetzt von Karl-Heinz Ebnet. Im Original erschien es 2020 mit dem Titel "Making Wolf".