Alte Traditionen gerne bewahren

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Aufmerksam geworden war ich auf dieses Buch durch das mehr als schön , detailliert und liebevoll gestaltete Cover mit zart gemalten Blüten, von dem ich ganz sicher bin, dass es auf jeden Fall dazu geführt hätte, dass ich es auch in der Buchhandlung angesehen hätte! Im Zentrum steht die ältere Bäuerin Lisbeth vom sogenannten Bethches-Hof, die Anwesen werden nach den Namen der Familien benannt, diesen Brauch kannte ich bereits aus der Heimat meines Mannes in der Eifel. Fehlenden männlichen Erben geschuldet liegt die gesamte Verantwortung für den elterlichen Hof auf unserer Protagonistin, Bethches Lisbeth, die die Hoffnung hegt, dass ihre Schwiegertochter, die ihr Sohn zur Frau nimmt, eine Hilfe sein wird. Eine Hilfe in Haus und Hof bei der unsäglich vielen Arbeit. Doch Marlies, eben einer anderen viel moderneren Generation angehörend, erfüllt das traditionelle Rollenbild nicht, sondern möchte, als unweiblich angesehen, nicht nur in der Stadt arbeiten gehen, statt in der Landwirtschaft zu schuften. Außerdem Neues ausprobieren, etwa einen Jagd- und Traktorenschein machen, Fertigkeiten, die bisher eine Männerdomäne waren. Die beiden Frauen liefern sich stille Kämpfe, weniger durch laute Worte oder Diskussionen, denn durch leise spitze Bemerkungen und böse Blicke. Auch nach der Geburt von Enkelin Joanna wird all dies nicht besser, denn auch die unterschiedliche Kindererziehung stellt einen erheblichen Streitpunkt dar.
Der Schreibstil ist sehr flüssig und angenehm. Ich mochte die unaufgeregte leise Art und die Zwischentöne, mit der die Autorin die einerseits engstirnige, andererseits durch vorgegebene Traditionen und Strukturen Geborgenheit gebende Dorfgemeinschaft schildert. Klatsch und Tratsch, der sich schwer tut mit jedem uns allem abseits der Norm, aber auch sich aufeinander verlassen können, all das kennzeichnet die Menschen auf ihren Höfen. Ich konnte Marlies verstehen, dass sie sich mit all dem schwer getan hat, aber ich hatte durchaus auch große Sympathie für die alte Lisbeth, die durch das Beharren auf alt eingefahrenen Rollenbildern das Bewährte erhalten möchte. Ich glaube, dass uns allen ein "Stück Lisbeth", ein sich Abfinden mit dem zugewiesenen Platz in der Gesellschaft manchmal
gar nicht schlecht täte. Ute Mank zeichnet ihre Charaktere und deren innere Dialoge auf eine extrem empathische Art, man flog als Leser nur so über die Seiten hinweg und war allen handelnden Personen trotz ihrer Unterschiedlichkeit extrem und gleich nah. Für mich ein sehr gekonntes und gelungenes Gesellschafts- und Personenportrait, und eine absolute Leseempfehlung!