Drei Generationen zwischen Tradition und Wandel der Wertevorstellung

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"Wildtriebe" ist das Romandebüt von Ute Mank aus dem dtv.

Auf dem Bethcheshof leben drei Frauen-Generationen unter einem Dach: Altbäuerin Lisbeth, Schwiegertochter Marlies und Enkelin Joanna. Damit prallen ganz unterschiedliche Lebens- und Arbeitsvorstellungen aufeinander, die für Uneinigkeit und Zwist sorgen. Denn wer die Nachkriegszeit erlebt hat, stellt ganz andere Regeln an das Leben als jemand, der sich seine Lebenswelt frei aussuchen kann.

Der Erhalt des Familienhofs ist Großmutter Lisbeths Lebenswerk, sie arbeitet und kämpft darum seit ihre Brüder im Krieg fielen. Und diesen Arbeitseinsatz erwartet sie auch von ihrer Schwiegertochter Marlies, Ehefrau von Sohn Konrad. Aber Marlies ist keine Bauerntochter und will sich nicht in diese Rolle drängen lassen, sie hat andere Lebensvorstellungen. Die Unstimmigkeiten sind vorprogrammiert und mit Enkelin Joanna driften die Lebensvorstellungen noch weiter auseinander.

Ute Mank nimmt uns mit in eine alte Bauernfamilie und beschreibt Alltagsleben und gepflegte Traditionen im Dorf sehr eindrücklich. Sie lässt uns in die Gedankenwelt Lisbeths und Marlies eintauchen, sodaß man gut mitfühlen kann und ihre jeweiligen Ansichten und Wertevorstellungen versteht. Die gegensätzlichen Lebensgrundsätze sorgen für Unstimmigkeiten und das nagt an der Beziehung der beiden Frauen und macht ihr Zusammenleben nicht gerade harmonisch. Aus der Sicht der Mutter und Großmutter erfährt man einiges über Enkelin Joanna, doch leider nicht aus Joannas persönlichen Sicht.

Schnell taucht man in die Träume, Sorgen und Lebenswünsche der Frauen ein und erkennt, welche grundlegenden Vorstellungen einen Generationenkonflikt heraufbeschwören. Marlies versucht, so gut es geht auf ihre Schwiegermutter einzugehen, doch sie kann es ihr nicht recht machen. Ihr steht nicht der Sinn nach Kinderkriegen und Haushalt, sie hat eigene Vorstellungen von Freiheit und von dem Wunsch nach einer Arbeit in der Stadt rückt sie nicht ab. Marktwirtschaftliche Veränderungen in der Landwirtschaft erfordern neue Maßnahmen in der Modernisierung des Hofes und Marlies Einkünfte als zusätzliche Einnahmequellen sind eine sichere Bank, doch das sieht Lisbeth ganz anders. Es fällt auf, dass die Männer des Hofes nur selten zu Wort kommen und dadurch auch recht blaß bleiben. Überhaupt scheint in dieser Familie die gemeinsame Kommunikation ein Problem zu sein, es wird geschwiegen, statt Gedanken und Vorschläge auszusprechen und Kompromisse zu finden. Als Joanna beschließt, den Hof zu verlassen um ein Jahr nach Afrika zu gehen, scheint das Familienleben vollends zu scheitern. Vielleicht lässt es die Bewohner auch aus ihren eingefahrenen Vorstellungen aufwachen, denn durch das engere Verhältnis zwischen Joanna und Lisbeth scheint sich am Ende eine Veränderung auf dem Hof anzubahnen.

Wildtriebe ist ein gut geschriebener Roman, der viele Themen anschneidet. Er verdeutlicht die Generationenunterschiede und zeigt die Veränderungen in der Landwirtschaft auf. Doch an erster Stelle machen die Figuren mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen deutlich, wie sich die Rolle der Frau im Laufe der Zeit verändert hat und wie alte Gewohnheiten abgeworfen werden.