Landleben über verschiedene Generationen hinweg

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
elena_liest Avatar

Von

Lisbeth, Marlies und Joanna - drei Frauen, drei Generationen, drei verschiedene Lebensvorstellungen, die auf dem Bethches-Hof aufeinander treffen. Lisbeth ist Bäuerin durch und durch, seit ihrer Jugend führt sie den Hof, musste schon früh Verantwortung übernehmen und glaubt an Traditionen und Beständigkeit. Als ihr Sohn Marlies als Schwiegertochter mit nach Hause bringt, ist Liesbeth entsetzt. Marlies möchte sich nicht still einfinden, sie möchte Traktor fahren, jagen gehen und in einem Kaufhaus arbeiten. Bei den beiden Frauen treffen Welten aufeinander - und sie fechten jahrelang stille Kämpfe miteinander aus. Auf Tochter und Enkelin Joanna projizieren beide ihre Wünsche und Hoffnungen - doch diese ergreift die Flucht, nach Afrika, weg vom Bethches-Hof...

Ute Mank errichtet mit "Wildtriebe" ein für mich sehr authentisches Bild des Dorflebens über verschiedene Generationen und Zeiten hinweg. Sie beschreibt gekonnt die gesellschaftlichen Zwänge und Konventionen, die Traditionen, an denen die eine Generation festhalten, aus denen die andere aber wiederum unbedingt ausbrechen möchte. Häufig sehr bedrückend lesen sich die Fetzen aus dem Leben von Lisbeth, Marlies und Joanna, sehr schonungslos geht die Autorin mit den Wünschen und Nöten der Protagonistinnen um.

Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus den Perspektiven von Lisbeth und Marlies. Es wird sehr wenig geredet in diesem Buch - was auch ein großes Thema ist. Denn den Charakteren fehlen die Worte, um über Gefühle oder das eigene Wollen zu sprechen, vieles wird verschwiegen, lieber wird gelästert oder der Groll tief in sich hinein gefressen. Die Autorin nutzt sehr häufig Ellipsen als Stilmittel - für meinen Geschmack vielleicht sogar etwas zu oft. Mit Verben wird sehr sparsam umgegangen, was aber auch diese Sprachlosigkeit wieder aufgreift.

Lisbeth und Marlies sind Ute Mank in meinen Augen sehr gut gelungen. Ich habe vieles in ihnen entdecken können, was ich selbst schon erlebt habe. Auch das Landleben an sich wurde sehr greifbar und anschaulich beschrieben - was ich total gerne mag. Mit wem ich mich hingegen gar nicht identifizieren konnte, war Joanna. Hier hat es sich die Autorin dann finde ich doch etwas zu einfach gemacht: Ein Sabbatical in Afrika, danach Studium der europäischen Ethnologie und Soziologie und natürlich der weite Stoffhosen und Tuch im Haar Look - das war mir dann doch ein bisschen zu viel Klischee.

Ich habe mich mit "Wildtriebe" nicht immer wohl gefühlt, obwohl ich es fesselnd fand und es nahezu in einem Rutsch durchgelesen habe. Es war sprachlich einfach nicht ganz meins, dazu kam die Enttäuschung über die jüngste Figur Joanna. Trotzdem möchte ich das Buch allen empfehlen, die gerne Romane lesen, die auf dem Land spielen. Denn dieses Motiv wurde doch sehr gut bedient im Buch.

Noch eine kleine Anmerkung: Afrika ist kein Land. Im Buch wird mehrfach von Lisbeth in etwa die Aussage getroffen, Joanna wäre im "Land" Afrika. Das ist mir sehr unangenehm aufgefallen. Ich weiß nicht, ob die Autorin hier diese Kluft zwischen den Generationen noch mehr herausarbeiten wollte und deshalb eine solch falsche Angabe macht, ich kann dem aber jedenfalls nicht viel abgewinnen.