Facettenreiches Kinderbuch

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Katherine Applegates „Willodeen“ ist ein facettenreiches Kinderbuch, dessen Geschichte von der 11-jährigen Waise Willodeen erzählt, die nach dem Tod ihrer Familie von den Nachbarsfrauen Birdie und Mae aufgenommen wird. Dort lebt sie mit einem Summbärchen, was sich gut trifft, weil sie Tiere liebt. Anders als viele Kinder liebt sie aber besonders die sonst verabscheuten und daher fast ausgerotteten Kreischer. Als man immer weniger Kreischer sieht, beobachtet Willodeen, dass auch die Summbärchen wegbleiben, und will wissen, woran das liegt. Unterstützt wird sie bei ihrer „Ursachenforschung“ von Connor: Die beiden wollen Summbärchen – und Kreischer zurückbringen.

Wo fängt man bei einem so „dicht gepackten“ Buch an? Bei der Protagonistin, die ein durchweg sympathisches kleines Mädchen ist. Obwohl oder weil sie schon viel durchmachen musste, ist sie ein liebenswertes Kind, das sich für andere einsetzt. Durch ihre Erfahrungen ist sie aber auch reifer als andere Kinder ihres Alters, eher in sich gekehrt, insofern ist die Figur auch authentisch angelegt. Das erklärt auch, warum sie eine andere Sicht auf die Welt hat (ok, Connor ebenfalls, der die perfekte Ergänzung Willodeens ist), Zusammenhänge erkennt, die andere übersehen und damit wären wir bei den tierischen Protagonisten, Summbärchen und Kreischern. Selbstverständlich stehen sie stellvertretend für reale Tiere, die vom Aussterben bedroht sind und selbstverständlich hängt das Aussterben einer Art oft von dem einer anderen Art ab und ebenso selbstverständlich ist eine Art eben niedlich und die andere weniger. Deutlich wird daran aber auch, wie „scheinheilig“ Menschen sind: Die eine Tierart finden wir sympathisch, wollen sie um uns haben, basieren vielleicht sogar Geschäftsmodelle darauf (das Dorf überlebt eigentlich nur wegen der dort überwinternden Summbärchen), die anderen rotten wir aus, essen sie oder tun sonst was mit ihnen. Insofern hält Applegate ihren Lesern auch einen Spiegel vor. Abgemildert wird das durch zauberhafte Illustrationen und einen liebenswerten Schreibstil, geprägt von viel Einfühlungsvermögen und sparsam dosierter Magie, damit die Geschichte nicht gar so real wirkt. „Willodeen“ ist ein echter Glückfall in der Kinderliteratur: bezaubernde Figuren, bei Erwachsenenliteratur spräche man davon, dass die Geschichte als Parabel lesbar ist, also lehrreich, und all das wunderschön verpackt.