Ende nicht gut, alles nicht gut?

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Erst einmal der Inhalt:

Ingo Boysen wurde nach einem Zusammenbruch von der Schwägerin fälschlicherweise für tot erklärt. Während die gewitzte alte Frau noch rätselt, ob sie jetzt wirklich tot ist, alarmiert Schwägerin Kerrin ahnungslos die gesamte Familie. Und so erfahren die 4 Kinder vom Tod der Mutter und machen sich auf den Weg nach Hause –Haus Tide hinter dem Deich auf einer kleinen Insel. Und jeder hat so seine Probleme, Geheimnisse und Verwicklungen, die er mitbringt. Eine Tochter kommt mit Mann und Kindern, ist allerdings hochschwanger vom neuen Liebhaber. Die andere ist etwas eigenbrötlerisch und schreibt gerade an einer Trauerrede für einen Dobermann. Der Erstgeborene wohnt mit seiner Frau eh im Haus, bringt aber nicht weniger Probleme mit ein. Die gemeinsame Tochter kommt von weit her und ist auf einmal ganz in schwarz –und das nicht wegen der zunächst für tot befunden Oma Inge. Und der andere Sohn ist Musiker auf einem Kreuzfahrtschiff, ganz am anderen Ende der Welt. Ob er es überhaupt nach Hause schafft, steht noch in den Sternen. Fast alle Familienmitglieder jedenfalls kommen im Haus Tide an und es passieren eine Menge Verwicklungen, während jeder so seine eigenen Probleme hat. Und dann wird die ganze Familie komplett eingeschneit..

Was ist das für ein Roman?

Tja, das ist die große Frage. Na klar, ich bin hauptsächlich Krimileser. Wenn ich die Worte INSEL und VON DER AUSSENWELT ABGESCHNITTEN lese, dann sind meine Erwartungen an einen Krimi sehr sehr hoch. Wenn ich dieses dann für einen Roman lese, dann bietet es immer noch eine Menge Potential. Der Klappentext verspricht einen „großen Familienroman voller Poesie und Geheimnisse“ und die tolle Situation, dass „im Inneren alte Feindseeligkeiten und neue Sehnsüchte“ hochkochen.

Ich hatte am Anfang definitiv Spaß an den Gedankengängen der alten Oma Inge, die plötzlich in ihrem Bett aufmacht, so drapiert als wäre sie tot. Oma Inge hat einfach tolle Gedanken und auch eine Menge Humor und interessante Ansichten. Auch die anderen Figuren, ihre Kinder und deren Kinder, bieten eine Menge Potential. Das Problem ist, dass die Geschichte dann irgendwie doch aus der Perspektive jeder Person in diesem Haushalt erzählt wird. Das ist einerseits wirklich gut, um den Leser in die Gesamtzusammenhänge eintauchen zu lassen – andererseits verheddert sich die Autorin da ein wenig in Nebensächlichkeiten, die der Geschichte zwischenzeitlich oft mal die Luft ausgehen lassen. Natürlich war mir zu jeder Zeit klar, dass ich keinen Krimi lese. Aber etwas mehr Spannung oder Spannungen hätten dann doch passieren können. Ich wurde nicht wirklich angetrieben, unbedingt umzublättern und habe für dieses Buch recht lange gebraucht. Zum weiterlesen bewogen hat mich vor allem die Neugier. Denn bei mehreren Personen ist man trotz der grundsätzlich eher mäßigen Spannung interessiert, wie sie sich denn am Ende nun entscheiden bzw. wie es bei ihnen weitergeht (hier will ich nicht vorgreifen). Mehr zu diesem Thema gibt’s gleich beim Punkt „Ende, aus, vorbei“.

Eine Sache, die mir nebenbei aufgefallen ist: unter den 10 Leuten im eingeschneiten Haus sind 6 Personen weiblich, eine davon ist ein Kind. Davon hegen 3 Frauen Gefühle für eine Frau. Das ganze wird kein großes Thema und stört mich auch überhaupt nicht, fällt dann aber doch auf. Ich habe mich über die Autorin nicht weiter informiert und werde es auch jetzt nicht tun, da mich das Ende enttäuscht hat (Erklärung folgt gleich), aber irgendwie ist die Quote doch außergewöhnlich hoch..

Besonders schön finde ich die Weisheiten, die in manchen Sätzen dieses Buches stecken. Die Autorin hat wirklich eine Menge schöner Sätze niedergeschrieben, die mir einzeln als Zitate sicher mal wieder begegnen werden. Weniger gut fand ich allerdings, dass die Beschreibungen manchmal unnötigerweise ausuferten. Das ist so garnix für mich.
Ein interessanter Ansatz ist auch der, dass man im Buch durch die Erzählung der Autorin mitbekommt, wie eine der Figuren in dem Roman das Buch schreibt, während sie dort eingeschneit ist. Das ist gut gemacht, hätte allerdings noch ausgebaut werden können. In diesem Erzählstrang wurde auch mehrmals auf eines der besten Agatha Christie Bücher, Und dann gab´s keines mehr, verwiesen. Da packte mich dann doch die Sehnsucht nach einem richtig guten Krimi und mir wurde klar, wie ungenutzt das Potential dieser Situation einfach blieb.

Lyrics. In diesem Buch gibt es an einigen Stellen Lyrics auf Englisch, vor allem in den Gedankengängen vom Erstgeborenen Enno, der seine Probleme gern mit sich selbst in der angrenzenden Scheune ausmacht. 1-2 mal fand ich das wirklich passend. Der Rest hat mich eher gestört, weil mir nicht auf Anhieb der bekannte Song einfiel und es nun auch nicht wie die Faust aufs Auge zur Situation passte. Für Leser, die mit den alten Gitarren-Songs garnix anfangen können, dürfte es eher nix sein.

Ende, aus, vorbei
Erstmals ein eigenes Kapitel widme ich dem Ende des Buches. Ich werde versuchen, nicht zu spoilern –wenn du dieses Buch nun also unbedingt lesen willst, musst du wissen ob du diesen Abschnitt ab jetzt liest. Wenn du das nicht willst, gehe doch direkt zum nächsten Punkt..

Also, warum widme ich dem Ende einen eigenen Absatz?
-Weil es mich einfach bitterlich enttäuscht hat!
Wie schon im vorherigen Abschnitt erwähnt, hatte mich dieser Roman streckenweise gelangweilt und trotz der liebevoll und vielschichtig gestalteten Figuren so richtig nicht gepackt. „Weiterlesen“, sagte ich mir, denn ich wollte wirklich wissen wie das Ganze für ungefähr 5 der 10 eingeschneiten Familienmitglieder nun enden wird. Es gab zwei Dinge, von denen wusste man eigentlich das ganze Buch über, das sie passieren würden. Da führte kein Weg dran vorbei. Bei den anderen Geschichten war der Ausgang wirklich absolut unklar. Und, wie endet das Buch? Mit den zwei Dingen, von denen ich eh sicher war, dass sie passieren würden. Und was ist mit den anderen Dingen, wegen denen ich weitergelesen hatte? Ja, nix ist! Das Buch ist vorbei, ich werde es nie erfahren. Und auf gut Deutsch gesagt: Ich fühle mich verarscht!

Damit es an dieser Stelle nicht ausartet, kürze ich etwas ab. Die Punkte "Zielgruppe" und "was lernen wir daraus?" gibts auf meinem Blog www.dietipperin.wordpress.com -ich würd mich sehr freuen, wenn ihr mal vorbeikommt. Weiter gehts mit dem Fazit:

Fazit

10 Personen, verwandt, eingeschneit und von der Außenwelt auf einer Insel abgeschlossen. Eine tolle Ausgangslage für alles Mögliche. Die Personen sind wirklich gut gestaltet und bieten Potential, es gibt viele schöne Sätze und Gedankengänge in diesem Buch. Es gibt aber auch viele unnötige Sätze. Es war nicht spannend, hat mich nicht gepackt, aber ich habe bis zum Ende durchgehalten um die Antworten auf einige Fragen zu erfahren. Leider habe ich sie immer noch nicht und bin vom Ende das erste Mal in meinem Leben so richtig tief enttäuscht. Wie viele Sterne gibt man so einem Buch nun? Die Frage ist sehr gut. Beim Lesen, so bis kurz vor dem Ende, hatte ich noch mit mir gerungen ob es 3 oder 4 Sterne werden. Weil mich da ja schon einiges gestört hatte, habe ich die Punktzahl (Sternezahl) dann vom Ende abhängig gemacht. Und das hat mich so enttäuscht, ich gehe tatsächlich runter auf 2 und streiche diese Autorin tief enttäuscht auch für die Zukunft aus meinem Kopf – schade, denn das Potential aus der Geschichte und die Figuren und Verwicklungen hatten echt Potential.. Wer sich dann am Ende gern sein eigenes Ende vorstellt und nicht auf Spannung steht, für den dürfte das Buch sehr gut geeignet sein.