Winter auf der Insel

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Haus Tide der Familie Boysen liegt auf einer kleinen nordfriesischen Insel - etwas abseits von den Nachbarn, direkt hinter dem Deich. Es ist ein altes Friesenhaus - seit Jahrzehnten im Familienbesitz, mit Alkoven, Bilegger und Delfter Kacheln ausgestattet. Im Haus wohnt ein Teil der Familie: Inge, die Mutter, Kerrin und Enno, Schwiegertochter und Sohn. Die anderen Kinder, Boy, Gesa und Berit, hat es in die Welt getrieben. Nun aber, kurz nach Weihnachten, noch vor dem Jahreswechsel erreicht sie alle die Mitteilung von Tod Inges. Sie machen sich auf den Weg - Enkelin Inka kommt aus St. Petersburg, wo sie eine "Karriere" als Goth in Angriff genommen hat, Tochter Gesa hat einen kürzeren Weg, kommt sie doch nur aus Hamburg. Allerdings kommt sie mit Noch-Ehemann Jochen und den Kindern - sowie mit einem Baby im Bauch von ihrem Liebhaber. Nur Boy, der sich auf hoher See befindet, kommt nicht - und wird doch von allen so sehr herbeigesehnt.
"Wintergäste" von Sybil Volks ist eine umfassende Familiengeschichte, offensichtliche Probleme wechseln sich mit lange verheimlichten Missstimmungen ab. Alle Familienmitglieder, plötzlich gezwungen, auf engstem Raum und bei schlechtem Wetter miteinander auszukommen, werden dazu gebracht, ihre Geheimnisse aufzudecken. Denn obwohl Inge gar nicht verstorben ist, geht es vor allem darum, was mit dem Haus passieren soll, wenn sie denn einmal nicht mehr ist. Wer soll Haus Tide erben? Und wie gehen die Geschwister mit einer möglichen Entscheidung für Enno um?
Von heimlichen und gar nicht heimlichen Liebschaften, von unverhohlener Abneigung, von Problemen mit dem Erwachsenwerden und den Ängsten, was denn die Zukunft bringen könnte, handelt dieser eng verflochtene Familienroman. Volks gelingt es, dass die Geschichten nachvollziehbar klingen. Allerdings werden einige Bilder doch zu häufig benutzt: Sei es die "gute Flasche Wein für besondere Anlässe", seien es die Grübeleien über das Fremdgehen, seien es die Beschreibungen des Wattenmeeres.
Für mich ein guter, aber nicht herausragender Roman, der die Frage nach dem Sinn von Besitz und Familientraditionen gut herausarbeitet. Insgesamt angenehme Unterhaltung - manchmal etwas wiederholend, manchmal etwas langatmig, manchmal aber auch mit überraschenden Wendungen.