Die Company über alles

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Devraj Bapuji, Chef des mächtigsten indischen Mischkonzerns "The Company" wird alt und will sein Vermögen und seine Firma auf seine drei Töchter Gargi, Radha und Sita aufteilen. Doch auch die beiden Söhne seines engsten Beraters Ranjit Singh sollen bedacht werden. Wer wird diesen Machtkampf gewinnen?

Wenn man Preti Tanejas Debütroman vor sich liegen sieht, dann wirkt er bereits sehr fordernd. Hardcover, knallbunte Farben, über 600 große, eng beschriebene Seiten. Der inhaltliche Vergleich mit König Lear lässt die Lektüre noch anspruchsvoller erscheinen. Und tatsächlich kommt es dann genau so - "Wir, die wir jung sind" fordert vollste Konzentration.

Jedem der fünf Kinder der beiden Magnaten ist ein Abschnitt des Buches gewidmet. Ihre Leben sind komplex, vollständig bestimmt von The Company und den Machenschaften des Konzerns. Bapuji versinkt immer weiter in der Verwirrung, er wird langsam aber sicher verrückt. Viele Szenen muten surreal an, manches habe ich auch nach mehrmaligem Lesen nicht begriffen. Ständig passieren schockierende, grausame Dinge, doch niemand nennt sie wirklich beim Namen. Man muss sich beim Lesen sehr viel selbst erschließen, und das ist manchmal anstrengend.

Um dem von Hindi durchsetzten Englisch bzw. den vielen unterschiedlichen "Englishs" in Indien gerecht zu werden, finden sich in Tanejas Roman unfassbar viele Hindi-Wörter, Halbsätze oder auch mal ganze Passagen auf Hindi. Nur die wenigsten der Begriffe werden im Anhang erklärt, und das ständige Blättern und Enttäuschtwerden ist doch ziemlich frustrierend. Ich kann zwar die Intention der Autorin verstehen, der Leserlichkeit des Romans ist diese Entscheidung aber nicht zuträglich. Konsequente Einträge im Glossar wären allerdings ein Anfang gewesen.

Obwohl ich außergewöhnlich lange für den Roman gebraucht habe, hatte ich nie das Bedürfnis, ihn abzubrechen. Er verführt zum Weiterlesen, zum Weiterfordern der grauen Zellen, zum Verknüpfen und Verbinden. Die Geschichte ist düster, voller Schatten und Dämonen, voller trauriger Erinnerungen und Demütigungen. Das tragische Ende ist nicht abzusehen - außer vielleicht für LeserInnen, die bereits King Lear kennen, denn Shakespeares Drama bietet das Grundgerüst und sicherlich auch einiges an Stilvorlagen für Tanejas Debüt.

Trotz der komplexen Struktur, der anspruchsvollen Sprache und dem Drang zum Weiterlesen kann ich nicht behaupten, dass der Roman mich sonderlich berührt oder zum Nachdenken angeregt hat. Dafür war die Lektüre einfach zu mühsam. Und dennoch bin ich während des Lesens vollkommen in der düster-bunten indischen Welt versunken. Ein Buch, das mich zwiegespalten zurücklässt.