Der Konjunktiv im Fokus

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mammutkeks Avatar

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„Wir hätten uns alles gesagt“ – ja, aber eben nur „hätten“ und nicht „haben“. Das ist das Prägende an dieser nachträglich veröffentlichten Poetikvorlesung von Judith Hermann. Mit dem Hinweis auf die Poetikvorlesung hatte ich etwas ganz anderes erwartet: Auskunft darüber, wie der Schaffensprozess abläuft, wie ein Buch entsteht und vielleicht auch, wie viel von der Autorin in ihren Werken steckt.
Dieser letzte Aspekt wird in Teilen auch in „Wir hätten uns alles gesagt“ angerissen – obwohl die Jonglage mit der eigenen Biografie auch immer eine Tendenz zum Verschleiern, zum Nichtsagen aufweist. Und war es wirklich so, wie sich die Ich-Erzählerin erinnert? Oder ist es nur eine Interpretationsmöglichkeit, die hier aufgezeigt wird?
Insgesamt ist eine profunde Kenntnis des Werkes von Judith Hermann schon fast Vorbedingung für die Lektüre dieses kurzen Bandes. Wer damit nicht so intensiv bekannt ist, hat sicherlich Schwierigkeiten, die vielen Anspielungen zu verstehen – so wie ich auch.
Nichtsdestotrotz ist dies ein Buch mit wundervoller Sprache und vielversprechenden Gedanken – so z.B. „Ich wusste, dass das Schreiben mir gehörte. Ich hatte es mit dem Instinkt eines Tieres verstanden – es war meins. Ich wusste auch, dass es mich offenbar von allem trennte, dass es mich isolierte. Aber ich war mit dieser Isolation einverstanden, und ich bin das, mit Einschränkungen, bis heute.“ (Judith Hermann, Wir hätten uns alles gesagt, S. 107f.)
Eine nicht alltägliche Lektüre, anspruchsvoll und vielleicht auch ein Türöffner für die Welt von Judith Hermann. Bei mir liegt auf jeden Fall „Lettipark“ seit neuestem auf dem SUB.