Toller Roman!

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sternchen1202 Avatar

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„Je älter du wirst, umso mehr drängt die Vergangenheit wieder in dein Leben, selbst wenn sie zwischendurch vergessen war.“

Anne Gesthuysen (am 2. Oktober 1969 in Geldern geboren) ist deutsche Journalistin und Moderatorin des ARD-Morgenmagazins, die mit „Wir sind doch Schwestern“ 2012 ihren ersten Roman veröffentlichte.
Der Roman basiert auf den familiären Geschichten Gesthuysens über die Großtanten Gertrud, Paula und Katty.


Inhalt
Gertrud, Paula und Katty Franken treffen sich auf dem Tellemannhof, um Gertruds 100. Geburtstag zu feiern. Zusammen haben die drei Schwestern ein stolzes Alter von 282 Jahren erreicht und dementsprechend auch viel Lebenserfahrung gesammelt.
Während der Vorbereitungen des großen Ehrenfestes haben alle drei Schwestern Gelegenheit, über ihre Vergangenheit nachzudenken und sich mit ihr zu versöhnen.
Gertrud hat in jungen Jahren ihren Verlobten Franz im ersten Weltkrieg verloren und machte den großen Bruder Heinrich dafür verantwortlich. Diesen Groll trug sie das ganze Leben mit sich.
Paula heiratete früh, verlor ihren Mann ein erstes Mal im zweiten Weltkrieg durch die Kriegsgefangenschaft und ein zweites Mal an die Männer.
Kattys Liebe galt immer Heinrich Hegmann (Franz großem Bruder), doch ihre Leidenschaft widmete sie dessen politischer Karriere und der Landwirtschaft. Sie arbeitete für Heinrich Hegmann, bis er starb, und übernahm danach den Tellemannhof.

Eigentlich bin ich keine leidenschaftliche Leserin historischer oder biographischer Roman und in dem Roman „Wir waren doch Schwestern“ kommt beides zusammen. Jedoch muss ich sagen, dass mir das Buch gut gefallen hat.
Meiner Meinung nach war es sehr faszinierend, dass sich die insgesamt 50 Kapitel sowohl mit der Gegenwart der drei Schwestern befassen, als auch immer wieder Einblicke in die erlebnisreiche Vergangenheit geben. Katty, Paula und Gertrud blicken einzeln immer wieder auf Ereignisse eines ganzen Jahrhunderts zurück. So bekommt der Leser einen lebhaften Eindruck des Kaiserreiches, des ersten und zweiten Weltkriegs und das Schicksal der Bevölkerung des Rheinlandes.
Gut gefallen haben mir auch die Charaktere der drei Schwestern. Jede wird so liebevoll beschrieben, dass man sie deutlich vor sich sieht und sich wünscht, selbst solche Tanten zu haben. Besonders gut gefallen hat mir hierbei das Verhältnis der Schwestern zu einander. Zu Beginn des Romans erfährt man als Leser, dass Gertrud die älteste Schwester sei und sich nach dem Tod der Mutter um die Erziehung Kattys kümmern musste. Daher kann der Leser auch die Anspannung zwischen den beiden Schwestern verstehen. Erst im Laufe des Romans entwickeln sich beide (durch die Mithilfe von Paula) und sind in der Lage, sich mit der Vergangenheit auszusöhnen und auch der Schwester zu vergeben.
An manchen Stellen war es für mich sehr schwierig, sich in die Beweggründe oder die Gedanken der drei Frauen hineinzuversetzen, was aber daran liegt, dass ich in einer vollkommen anderen Zeit geboren wurde. Gesthuysens Roman gibt hier einen wunderbaren Einblick in die Erziehung und das Verständnis der Menschen der vergangenen Jahrhunderte. Wer stört sich heute schon an einem Scheidungsprozess? 1950 war dies jedoch etwas vollkommen anderes – vor allem, wenn eine Frau öffentlich beschuldigt wurde, der Grund für die Scheidung zu sein!
Eine vollkommen neue Sicht auf den Roman und die erzählte Geschichte erhält man noch einmal, wenn man liest, was die Autorin in dem letzten Kapitel über sich und das Verhältnis zu ihren drei Großtanten Katty, Paula und Gertrud berichtet. Zwar war mir die Tatsache bereits im Vorfeld bekannt, jedoch hatte ich nach dem Lesen dann das Gefühl, die drei Frauen und auch Heinrich Hegmann wirklich gekannt zu haben und ihnen begegnet zu sein.
Insgesamt kann ich sagen, dass mir das Buch „Wir sind doch Schwestern“ gut gefallen hat. An einigen Stellen zogen sich die Ereignisse ein wenig hin, jedoch schafft es Gesthuysen, das Interesse immer aufrecht zu erhalten (z.B. durch Kleinigkeiten wie den Aktenordner, der bereits zu Beginn erwähnt wird, mit dem der Leser aber noch nichts anfangen kann).
Ich empfehle den Roman unbedingt weiter, da man eine neue Sicht auf wichtige Ereignisse der deutschen Geschichte erhält. Der Erzählstil Gesthuysens ist aber ebenfalls sehr empfehlenswert!