Keine Teller

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constanze_pachner Avatar

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@felicitas_prokopetz entrümpelt in ihrem Debutroman #wirsitzenimdickichtundweinen den Keller einer Mutter-Tochter-Dynastie, deren Unaufgeräumtheit einen königsreifen Eintopf bildet. So wenig wie ein Eintopf immer schön aussehen kann, so wenig kann es auch eine Mutter-Tochter-Beziehung sein. Das Netz dieser Frauendynastie bilden Martha und ihre Mutter, gefolgt von Christine mit ihrer Tochter Valerie sowie Charlotte, die Oma väterlicherseits von Valerie. Der Eintopf beginnt überzukochen, als Christine an Krebs erkrankt und Valerie ihre wohl temperiert auf Distanz gehaltene Beziehung zu ihrer Mutter aufgeben muss. Sie muss sich kümmern, muss aus ihrem Schneckenhaus heraus und Kanten wie Tränen zulassen.

Der Keller wird erzähltechnisch auf mehreren Zeitebenen mit einem fundierten Gefühl für Wörter des Schmerzes und Glückes aufgebröselt. In diesem Gefüge kommen ganz ohne Einleitung dramatische Ratzi-Fatzi-Szenen ums Eck, die in ihrer Eindringlichkeit wie beim Film schauen ein gieriges Zucken in der Iris des Betrachters* auslösen. Neben diesen überrumpelnden Szenen gibt es auch die sich geduckt anschleichenden, die von nicht kommenden Momenten erzählen, in denen sich diese Frauen begegnend über ihre inneren und äußeren Rollen austauschen könnten. Dieses 'Sich die Welt näher bringen' ist blockiert, deswegen können sie nicht sehen, wie ähnlich ihre 'Wut auf die Welt' doch ist. Dabei sitzen sie alle an einem Tisch über einer Schüssel gefüllt mit den Zutaten der Gefühle, Missverständnisse, Ängste, Dramen, Traumata, Glücksmomente aus ihrer gemeinsamen Geschichte.

Es ist Tobi, der 16-jährige Sohn von Valerie, der Ihnen zusammen mit seinen Kumpels die Löffel in die Hand gibt, die Teller verweigert und auffordert aus der gemeinsamen Grütze zu löffeln - großartig!
Selbst Mutter von zwei Teenagern genoss ich diese lebensnah verschmitzten Szenen aus dem Alltag mit Teenagern, die wie hier mit Worten beeindrucken, die sie über die Hörner ihrer Eltern wachsen lassen.

"Manchmal hat man vor etwas Angst, aber die Angst verirrt sich, und plötzlich glaubt man, vor etwas Angst zu haben, das in echt gar nicht gefährlich ist." 186