Freie Studentenleben

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1967: Amrei verlässt ihr Elternhaus in der Provinz, um in München ein Studium zu beginnen. Zum Glück kann sie bei ihrer 80jährigen Großtante wohnen, die allerdings in der Familie nicht wertgeschätzt wird. Schon bald schließt Amrei Freundschaften mit anderen Studentinnen und Studenten. Vor allen Dingen David hat es ihr angetan und wird ihr fester Freund. München wird 1972 die olympischen Spiele ausrichten, somit gleicht die Stadt einer Großbaustelle. Die Jugend steht den geplanten Spielen kritisch gegenüber. Die Studentenunruhen machen auch vor München nicht halt und Amrei und ihre Clique protestieren mit. Dabei trifft sie den Polizisten Wastl und findet ihn sehr sympathisch, was zu Konflikten innerhalb des Freundeskreises führt.
1972: Nach über drei Jahren Abwesenheit kehrt Amrei nach München zurück. Sie brauchte Abstand von allem und war einige Jahre im Ausland, um Sprachen zu lernen. Nun will sie ihr unterbrochenes Studium wieder aufnehmen uns sie kann wieder bei ihrer Großtante wohnen. Ein weiterer Grund für ihre Rückkehr, ist ein Jobangebot als Olympia Hostess. Schon nach kurzer Zeit trifft sie wieder auf die alten Freunde. Doch auch die haben sich verändert, aber langsam nähern sich alle wieder an. Dann beginnt die Olympiade, doch aus den heiteren Spielen wird plötzlich Terror und Amrei sieht sich mittendrin. Eine weitere Bewährungsprobe für die Freundschaften lassen sich nicht vermeiden.
Der neue Roman „Wir träumten vom Sommer“ von Heidi Rehn ist ein sehr gelungener Unterhaltungsroman, der den Zeitgeist dieser Jahre perfekt näherbringt. Ich selbst bin 1967 geboren und tatsächlich lese ich sehr gerne Romane, die in meiner Kindheit spielen. Die Zeit der Studentenunruhen kenne ich somit nur aus Erzählungen und Büchern. Heidi Rehn wählte München als setting, meist verbindet man die Unruhen mit Berlin, umso erstaunter war ich zu lesen, dass es auch hier diese Proteste gab. Der Autorin gelingt es gut, uns die Gedanken, Sorgen und Ängste der Jugend nahe zu bringen, vergisst dabei aber auch nicht die ablehnende Haltung der Bevölkerung. Die Gesellschaft war gespalten. Die Jugend ließ sich nicht mehr alles bieten, 23 Jahre nach Kriegsende saßen an den Unis und anderswo immer noch Männer in hohen Positionen, die schon während der NS-Diktatur ihre Arbeit taten. Auch Amrei vertritt ihre Meinung dazu und macht sich ihre eigenen Gedanken, sie ist eine sympathische Protagonistin. An ihrer Seite, eine sagenhafte Großtante Annamirl mit liberalen Ansichten. Mehr geht nicht. Das Buchcover verrät nicht viel vom Inhalt, man ahnt das es in München spielt und die Protagonisten jung sind. Die Handlungsstränge der Jahre 1968 und 1972 wechseln sich ab, die Länge der Kapitel ist genau richtig. Der Einstieg ins Buch gelingt problemlos und ich war von Beginn an von der Geschichte eingenommen. Der moderne Schreibstil, wird mit bayrischen Ausdrücken verfeinert und wirkt somit authentisch und charmant. So habe ich zum Beispiel noch nie von einem Schandi gehört. Tatsächlich habe ich auch viel über die Baumaßnahmen für die olympischen Spiele erfahren. All das war mir unbekannt. Nur wenige Jahrzehnte nach dem Krieg, muss es wirklich das Ereignis schlechthin gewesen sein. Umso trauriger, dass es dann zu einem terroristischen Anschlag kommen musste. Der Autorin gelingt es gut, diese Geschehnisse aufzugreifen, ohne aus den Augen zu verlieren, dass es ein Unterhaltungsroman bleibt. Auch das offene Ende passt für mich perfekt und macht den Roman rund. Beim Nachwort musste ich schmunzeln und fühlte mich der Autorin sehr nah, auch mir fällt sofort die Farbe orange für die 70er Jahre ein und natürlich auch die legendären Prilblumen (die sollte es eigentlich wieder geben, es könnte ein Kaufargument für unsere Generation der Babyboomer sein). Beim Lesen rieche und schmecke ich die Leichtigkeit der Kindheit und Jugend. Heidi Rehn bietet zu diesem Roman einen Stadtrundgang an, wie gerne würde ich daran teilnehmen, doch 800 km Anreise sind dann doch etwas weit für mich. Nichtsdestotrotz wird das Gelesene noch lange in mir nachklingen und ich vergebe 5 Sterne von Heidi zu Heidi.