Düstere Dystopie

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lesemöwe Avatar

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Der vorliegende Auszug aus dem Jugendroman "Wir waren hier" zeichnet ein düsteres Bild einer Zukunft, die, als im Jahre 2039 dargestellt, gar nicht in so weiter Ferne liegt. Durch die ersten Seiten des Romans wird zunächst nur angerissen, wie es zu der Situation gekommen ist: Es gab eine Europakrise, "eine Sache mit Russland", Ressourcen- und Bürgerkriege und die Protagonistin Anna lebt in einem zerbombten Berlin unter einer Militärregierung. Wie typisch für eine Dystopie herrscht Armut und Hunger und Durst, im Winter frieren die Menschen in den zerstörten Häusern und Wohnungen, Dinge des alltäglichen Bedarfs fehlen. Gleichzeitig ist die Technik aber weiter vorangeschritten, denn es gibt Geräte wie Smart Eyes, von denen man aber noch nicht weiß, was sie genau für Funktionen haben. Die Menschen sind unfrei und werden u.a. von der WePo kontrolliert, sind ständiger Beobachtung und Bedrohung ausgesetzt.
Die jugendliche Ich-Erzählerin Anna schildert die Missstände der Gesellschaft, in der sie lebt, plastisch, sodass man ein genaues Bild von den Lebensumständen bekommt und unweigerlich mitgerissen wird. Auch wenn in der Leseprobe noch nicht klar wird, in welche Richtung sich die Geschichte weiterentwickeln wird, ahnt man schon, dass der virtuelle Kontakt von Anna zu Ben möglicherweise eine zentrale Rolle in der Handlung einnehmen wird.
Ob der Roman "Wir waren hier" auch wie die typischen Dystopien hoffnungslos und ernüchternd enden wird, kann man natürlich noch nicht sagen - denkbar ist es, da es ein gängiges Muster dieses Genres ist. Gleichzeitig könnte aber auch die Bekanntschaft zwischen Anna und Ben, wenn sie sich, wie man sich vorstellen könnte, zu einer echten Beziehung weiterentwickelt, als ein Symbol für Liebe, die alle Hindernisse überwinden kann, gesehen werden.
Auch sprachliche überzeugt der Roman: Interessant und innovativ ist z. B. die von der Norm abweichende Großschreibung bei Formulierungen, die man als Äußerungen anderer Personen, über die Anna spricht, verstehen kann.
Inhaltlich, erzähltechnisch und sprachlich also ein spannender Jugendroman, der zum Nachdenken anregt.