wir waren hier

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elohym78 Avatar

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Anna wächst mitten in Berlin auf. In einem zerstörten Berlin, denn nach den Unruhen, dem Bürgerkrieg und der Sache mit Russland ächzt Deutschland unter einer Militärregierung, die ihre Bevölkerung hungern und leiden lässt. Jeder Aufstand wird nieder geknüppelt. In dieser schweren Zeit, lern Anna Ben kennen, der im fernen Hamburg ihren Blog liest. Als seine Angehörigen sterben, geht er zu Anna nach Berlin und die beiden erleben ihre erste große Liebe. Gemeinsam machen sie sich auf den gefährlichen Weg aufs Land, um dort eine bessere Zukunft zu beginnen. Doch sie werden von Soldaten aufgegriffen.

Das Cover zeigt die Protagonistin Anna vor der zerstörten Skyline von Berlin. Ob die Stadt in Flammen steht, oder ob das Morgenrot wegen einer merkwürdigen Wolkenkonstruktion es nur so aussehen lässt, ist nicht ganz klar. Ich denke, dass beide Varianten richtig sind. Zerstörung und gleichzeitig der Aufbruch in etwas Neues. Ich finde es sehr schön für den Inhalt des Buches gewählt, da es perfekt den Zwiespalt zwischen Aufgabe und Hoffnung zeigt.

Nana Rademacher schreibt spannend und einfühlsam zugleich. Sie schildert ein Leben im zerstörten Berlin, nachdem die Welt zusammengebrochen ist. Zumindest in Europa. Vorsichtig und mit viel Gefühl und Intensität gewährt sie Einblicke in ein zerstörtes Familienleben. War zu vor ein Sonntagspicknick so normal wie Brötchen holen, ist heute nichts mehr normal; noch nicht einmal Essen überhaupt. Hunger und Durst, Kälte und Hitze und die Frage, ob man den nächsten Tag erlebt, sind die beherrschenden Gedanken der wenigen Menschen, die den Bürgerkrieg überlebt haben. Düster und beklemmend führt Rademacher mich durch eine Stadt, die ich sehr liebe. Vor meinem inneren Auge sah ich die Plätze und Orte entstehen, immer mit Trümmern überlappt, die mir ins Herz schnitten. Die Stimmung schwankt stets zwischen traurig, beklemmend und Angsteinflößend und Hoffnung. Wie die Autorin dies macht, ist berührend und ich habe oft mit den Tränen gekämpft, weil mich die Verzweiflung packte und nicht mehr los lassen wollte.
Das Szenario mag zwar der Fiktion entsprungen zu sein, doch gleichzeitig ist es aktuell und ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Leben in zwanzig Jahren so sein wird. Die Welt wird sich ändern und Rademacher zeigt eine Möglichkeit auf. Beängstigend real.

Doch nicht nur das Leben und der Überlebenskampf in einer Großstadt steht im Mittelpunkt der Ereignisse, sondern auch das Leben außerhalb. Denn tot ist das Landleben mit Sicherheit nicht. Dort befinden sich die Erziehungslager für Kinder und Jugendliche, die keine Eltern mehr haben. Und wie sich Grausamkeit in so einem begrenzten Raum durchsetzen kann, zeigt die Autorin deutlich auf. Spannend fand ich, dass sich die Geschichte immer in eine Richtung entwickelte, mit der ich so nicht gerechnet hätte. Gerade wenn ich gedacht habe, dass ich Rademacher durchschaut habe und mir im Geist überlegt habe, wie es weiter geht, machte sie eine Kehrtwendung und ging völlig neue Wege.

Im Mittelpunkt der Geschehnisse stehen die Jugendlichen Anna und Ben. Anna lebt mit ihren Eltern im zerstörten Berlin. Als kleines Kind durfte sie noch den Luxus eines Lebens ohne Krieg kennenlernen. Nicht nur genug zu Essen haben, sondern auch wie es ist, eine warme und sichere Wohnung zu haben. Doch dies ist nur eine ferne, eine ganz ferne Erinnerung und so fällt es Anna leichter als den Erwachsenen, mit den neuen Lebensumständen zurecht zu kommen. Keine Schule zu haben, kaum Freunde, ständige Angst, Hunger und Leid. Und doch findet sie so etwas wie Freude und Glück. Auf den ersten Blick wurde mir das nicht so bewusst, erst im Nachhinein, als sich die Handlung setzen konnte. Doch eins kann Anna und macht es auch: Für ihr Glück kämpfen!
Vor allem, als sie auf Ben trifft. Er macht ihr Komplimente und versucht ihr ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch Ben trägt schwer an seiner Vergangenheit. Viel schwerer, als es auf den ersten Blick scheint.
Doch beide lassen sich nicht unterkriegen. Egal was kommt, durch den Glauben an den anderen meistern sie jede Situation.

Mein Fazit
Wir waren hier, ist für mich ein Werk, das mich tief berührt hat. Ein Buch für die Seele