Ein Buch, wie es nur ein Israeli schreiben kann

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sonnenwind Avatar

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Dieses Buch habe ich mit dem Gefühl gelesen, nicht mit dem Verstand. Vermutlich geht es auch gar nicht anders. Ilan Goren ist ein Israeli, durch und durch - aber er selbst merkt es gar nicht. Drei Jahre Militärdienst hat er gemacht (wie hat sein Kumpel es geschafft, daran vorbeizukommen? Ich dachte immer, die kämpfen darum, das nur machen zu dürfen?), und nun geht er nach Berlin, um seine deutschen Wurzeln zu erforschen.

Die geschichtlichen Einsprengsel fand ich sehr interessant, denn unsere Generation kennt ja die Zeiten nicht mehr, in denen Juden "andere" Menschen waren. Das ganze Buch hindurch geht es um Ilans Erlebnisse im Berlin des 21. Jahrhunderts, abwechselnd mit den Erlebnissen seines Urgroßvaters, der aus Polen nach Berlin gegangen ist, um dort Elektrotechnik zu studieren.

Sehr interessant fand ich die Züge von Selbstannahme versus braunes Schubladendenken und dann wieder Ilans Verständnis davon. Für mich war das schon immer etwas Besonderes: Man hat gelesen, wie die Juden verfolgt wurden und jede Selbstachtung verloren hatten, dann hat man die modernen Israelis kennengelernt, die verbissen der ganzen Welt zeigen, was für tolle Kerle sie sind. In diesem Zwiespalt lebt auch Ilan.

Vermutlich kann ein Israeli kaum ein ganz normaler Mensch sein. Weil sie noch mehr mit der Geschichte leben als wir, neigen sie dazu, sich beweisen zu müssen. Ein Israeli hat normalerweise Verwandte in der halben Welt, findet überall auf dem Globus Freunde - denn es gibt überall Juden -, spricht ein halbes Dutzend Sprachen, ist aber trotzdem eine ganz eigene Pflanze. Diese Art wächst sonst nirgendwo, und nur auf diese Art wie in diesem Buch kann man sie treffend beschreiben. Der Stil ist locker-witzig, aber nie ohne Tiefe, vor allem in den historischen Teilen. Abgerundet wird der Stil von der typisch israelischen Spontaneität.

Kol b'seder, chaver!