Die erste Liebe, Geldverdienen – und dies, während der Seewind flüstert

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1959: Die 17-jährige Sabine, lebenshungrige Protagonistin, hat gerade ihre Ausbildung an der Haushaltsschule beendet. Sie lebt bei ihrer Familie in Gelsenkirchen und wünscht sich, bevor sie das erste Arbeitsverhältnis gefangen nimmt, in den Sommerferien mit Gleichaltrigen an den Gardasee zu reisen. Ihre Reisepläne nach Bella Italia muss sie aufschieben, denn ihre in Sankt Peter Ording lebende Tante, die eine kleine Pension betreibt, bittet ihre Nichte um ihre Arbeitskraft über den Sommer. Hier in Nordfriesland wird in der Saison jedes Bettähnliche vermietet, es wird zusammen gerückt, um vielen Gästen einen Aufenthalt am Meer zu ermöglichen. Wichtig ist im Sommer gut für andere Monate mitzuverdienen, denn der Tourismus bietet nur in der kurzen Saison eine Einnahmequelle. Neben der Unterstützung ihrer lieben Tante wird Sabine auch im schönen Strandcafé als Servierfräulein engagiert. Es dauert nicht lange, da kann sie ihre Leidenschaft für das Kuchenbacken und die Begabung Torten schön zu verzieren, auch routiniert im Café ausleben. Sabine verbringt trotz ihrer Mitarbeit einen schönen Sommer an und in der Nordsee. Sie lernt schwimmen! Nicht ganz unschuldig für ihr Wohlfühlen, ist neben dem Zusammenleben mit der sympathischen Tante, Strand und Meer, auch der junge Standkorbvermieter und Musiker Tom. Fernab ihres Elternhauses genießt sie Unbeschwertheit, Anerkennung für ihre Tätigkeit und die erste Liebe. Als der Sommer am Meer für sie endet, kehrt sie aus der windumbrausten Frischluft nicht nur in die kohlenstaubbelastete Luft im Pott zurück, sondern auch in die Düfte ihres ersten Arbeitsplatzes, der Polizeikantine in Gelsenkirchen. Das fällt ihr nicht leicht. Gern denkt Sabine an die Wochen in Sankt Peter Ording zurück und an Tom. Mit ihrer Freundin Rita, die sie an der See besucht hat, kann sie Erinnerungen und Sehnsucht teilen. Sabines Eltern ist wichtig, dass ihre minderjährige Tochter sich in ihrer Rolle einfügt und auch, dass ihre Töchter „gut“ heiraten, damit sie versorgt sind. Der Briefträger Engelbert Müller ist in ihren Augen ein optimaler Schwiegersohn…

Die Geschichte spielt Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre, einer Zeit des Umbruchs - alle haben den Wunsch, einige Jahre nach dem zerstörerischen Krieg, wieder unbeschwert zu leben. Der Roman lässt mich den Zeitgeist, der Jugendjahre der eigenen Eltern, durch die Lektüre miterleben. Die Protagonisten sind sehr sympathisch und ich fühlte mich nach wenigen Seiten schon sehr wohl mit dem Roman. Ich konnte das Buch daher auch nicht über Nacht liegen lassen und habe es in einem Tag gelesen. Dieser Roman war bis auf einen Gegenwartsweihnachtsroman vor einigen Jahren, meine zweite Begegnung mit einem Buch von Tanja Janz.

Mir gefällt neben dem flüssigen Schreibstil auch sehr die Buchgestaltung: das sepiafarbene Cover, auch wenn es, wie so oft eine Dame in Rückenansicht zeigt, doch radelt sie durch Dünengras, geradewegs auf ein Strandhaus auf Stelzen. Von dort aufs Meer blicken – wohl für viele ein Sehnsuchtsort. Dieses Haus auf Stelzen ist ein Strandcafé und hat in der Geschichte eine wichtige Bedeutung.
Wunderschön ist der rot eingefärbte Buchschnitt und dadurch erhält das Buch eine ganz besondere Haptik beim vorsichtigen Auf- und Umblättern – die Seiten haften ein wenig und knistern – es erinnert an ein neues Kirchengesangbuch mit Goldschnitt. 😊 Auch die gewählte Schrift für Buchtitel und Kapitelüberschriften gefällt mir gut. Auch die Folgebände werden diesen chicen farbigen Buchschnitt bekommen – sieht dann im Regal toll aus.

Dieses ist der Auftaktband einer geplanten Trilogie. Der nächste Band erzählt nicht unmittelbar Sabines Geschichte weiter, sondern der Folgeband widmet sich der nächsten Generation. Ich war neugierig und musste schon einmal die Beschreibung lesen. Einerseits hätte ich gern die junge Frau Sabine weiter auf ihrem Weg in das Leben begleitet, andererseits gefällt mir auch das gewählte Konzept, denn dadurch sind die Bände noch besser unabhängig voneinander lesbar. Leider müssen wir Leser uns nun bis Januar gedulden, dann geht es mit einer weiteren Erzählung aus Nordfriesland weiter. Durch den Zeitsprung in der Trilogie werde ich mich dann gut auf die nächste Geschichte einlassen können. Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung, bin wirklich gespannt.

Sehr gern dürfen die nächsten Bände etwas mehr Seitenumfang haben. So empfand ich Sabines Abschied vom Meer sehr abrupt und auch manch andere Stelle hätte ich gern noch ausführlicher miterlebt.