Eine Jugend mitten im 2. Weltkrieg

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miltonia 01 Avatar

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Der Roman springt mitten hinein in das Leben im Köln in 1942. Lene Meister berichtet per Brief ihrer besten Freundin Rosie von allen Neuen, was es in Köln so gibt und das ist in der Regel nichts Gutes. Köln wird sehr schwer von den Engländern bombardiert, die Gefallenen-Meldungen verschlingen den größten Platz in den Zeitungen, jüdische Nachbarn verschwinden spurlos und Lebensmittel gibt es auch nur noch mit größter Mühe. Anhand der weiteren Briefe erfährt man, dass Lenes großer Bruder Franz an der Ostfront kämpft und dort schreckliche Sachen erlebt, die Lage immer aussichtsloser wird und er der Front am liebsten den Rücken kehren würde. Lenes jüngerer Bruder Kalli wiederum ist ein glühender Hitler-Anhänger und begeisterter Pimpf, der sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich für den großen Sieg kämpfen zu können. Lenes Mutter ist gesundheitlich schwer angeschlagen und hat mit der Sorge um ihre 5 Kinder genügend zu tun. Der Vater ist unter seltsamen Umständen vermisst und so hält Lene mit ihren 16 Jahren weitgehend die Familie am Laufen.

Die schlaflosen Nächte im Keller wegen der Bombenangriffe, die großen Zerstörungen in Köln und der Kampf um Lebensmittel lassen sich besser ertragen, da es einen Lichtblick gibt: Lene hat einen jungen Mann getroffen, Erich, und verliebt sich Hals über Kopf. Erich hat einen großen Freundeskreis und der verhält sich ganz anders, als es die offizielle Propaganda vorgibt. Die Jungs und Mädchen mit dem Edelweißabzeichen ziehen singend durch die Wälder und Umgebung von Köln, lehnen den Drill von HJ und BDM ab und stellen sich zum Teil sogar aktiv gegen den Krieg. Das bleibt natürlich auch der Gestapo nicht verborgen und nimmt die Gruppe immer mehr ins Visier.

Anhand der Briefe sieht man, wie sich die Stimmung unter den Schreibern verändert, wie sich bei manchen eher, bei anderen später die Erkenntnis durchsetzt, auf verlorenem Posten zu stehen und in diesem Krieg keinen Sinn zu sehen. Natürlich ist gerade das Schreiben dieser Briefe auch sehr gefährlich, nicht nur die Feldpost, auch die Briefe der normalen Bevölkerung werden mitgelesen und das kann tödlich enden. Deshalb ist z. B. auch Rosies Angst verständlich, wenn ihr Lene recht unbekümmert von ihren Aktionen mit ihren Edelweißfreunden berichtet.

Ich mag Briefromane sehr gern, da ich so die Innenansichten und unterschiedlichen Auffassungen und Stile der einzelnen Beteiligten am besten nachvollziehen kann und das klappt hier wirklich wunderbar. Ich finde die Beschreibungen der Zustände im zerstörten Köln sehr anschaulich, leide mit Lene, als ihre Familie sich langsam auflöst und freue mich an der zarten jungen Liebe mit Erich. Die beiden wünschen sich lediglich eine gemeinsame Zukunft und diese ist sehr unwahrscheinlich unter diesen Umständen. Auch die Briefe von Lenes Bruder von der Ostfront sind sehr berührend, zumal man weiß, wie verheerend für die Wehrmacht die Schlacht um Stalingrad enden wird.

Und es tut mir so schrecklich leid und macht mich so wütend, dass das Leben und die Zukunft so vieler Menschen so schrecklich verändert und zerstört wurde lediglich aus dem Machtstreben und dem Wahnsinn einiger weniger „Führer“ heraus, die leider zum richtigen Zeitpunkt an die Macht gekommen sind. Und ich bin sehr dankbar, dass es zumindest in weiten Bereichen in Europa in den vergangenen Jahrzehnten gelungen ist, derartige Gräuel zu vermeiden und wir in Frieden und Wohlstand leben können.

Sehr gut gefällt mir auch das offene Ende des Buchs, so kann sich jeder eine für ihn passende realistische oder eher freundliche Variante vorstellen. Von mir ganze 5 Sterne.