Mitfühlen mit den Wölfen im ökologischen (Un-)Gleichgewicht Schottlands

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swirowski Avatar

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Gleich zwei für mich faszinierende Themen werden im neuen Roman von Charlotte McConaghy thematisiert: Das immer wieder überwältigend ausgeklügelte System von Mutter Natur in ihren Ökosystemen, das durch das Eingreifen von Menschenhand erschüttert wird; und dazu ein neurologisches Phänomen – die Mirror-Touch-Synästhesie – das im Fall der Ich-Erzählerin und Hauptfigur Inti dazu führt, dass diese nicht nur mit anderen Menschen in gesteigertem Maße mitfühlt und deren Schmerz am eigenen Leib empfindet, sondern ebenso mit anderen Lebewesen. Letzteres wird den LeserInnen im Einstieg ins erste Kapitel abrupt vor Augen geführt, als Inti das Häuten eines Hasen durch ihren Vater am eigenen Körper spüren muss. Und im Verlauf der Geschichte um die Auswilderung von Wölfen in einem bedrohten Gebiet in Schottland werden die beiden Themen sicher in interessanter Weise ineinander wirken – das wird jedenfalls schon in der Leseprobe klar.

Mir hat der unmittelbare Start in die Geschichte gut gefallen und ich fand mich direkt „drin“ in der. Das Ganze spielt sich auf zwei Zeitebenen ab. Im Jetzt arbeitet Inti mit einem Team von Wissenschaftlern daran, eine Gruppe Wölfe in Schottland anzusiedeln, um das Ökosystem vor Ort, das aus dem Gleichgewicht geraten ist, wieder in eine gesunde Balance zu bringen. Natürlich sind die Bewohner und Landwirte der Region nicht sofort davon begeistert.
In Rückblenden in die Kindheit und Jugend von Inti wird ihr Weg und der ihrer Schwester gezeichnet, der sich in zwei Welten zwischen dem städtischen Sydney und den Wäldern Kanadas abgespielt hat. Das besondere Verhältnis zur Schwester und was ist mit ihr geschehen ist, wird sicher im Roman eine große Rolle spielen.

Vieles deutet auch schon nach der Leseprobe darauf hin, dass Inti Schwierigkeiten bekommen wird, sich von den Wölfen emotional so weit abzugrenzen, dass sie nicht selber deren Schmerz zu spüren bekommt. Ich bin gespannt, inwieweit sie den Kampf für die Wölfe und ihre eigenen inneren Kämpfe durchstehen kann und wird.

Den Schreibstil habe ich als angenehm lesbar und bildreich empfunden. Ab und zu wirken die Sätze ein wenig holprig und aneinander geklatscht, aber der Fluss kehrt schnell zurück. Eventuell mag das auch an der Übersetzung liegen. Ich bin gespannt wie sich die Spannungsbögen die bereits aufgemacht wurden, weiter entwickeln und freue mich auf das Lesen des ganzen Romans.