Berührend, interessant, lesenswert!

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susanne probst Avatar

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Schon mal vorab:
Das Buch mit dem sich umarmenden Paar auf dem Cover ist ein Hingucker und der Titel „Wo Du nicht bist“ ist originell und passend gewählt.
Er ist eine Textzeile aus dem Lied „Dein ist mein ganzes Herz“ aus dem 2. Akt der Operette „Das Land des Lächelns“, deren Musik von Franz Lehár stammt.

Mit dem Aufklappen des Buches begeben wir uns ins Berlin der späten 1920-er Jahre und lernen dort Irma Weckmüller, eine willensstarke, loyale und großherzige Frau kennen.

Sie arbeitet als Verkäuferin in der Stoffabteilung im KaDeWe und sorgt mit ihrem Einkommen für den Lebensunterhalt von sich und ihrer Schwester Martha, die nach einer Vergewaltigung durch ihren Dienstherrn ihr unehrliches Kind großziehen muss.

Eines Tages und aus gutem Grund lernt Irma den jüdischen Arzt Dr. Erich Bragenheim kennen, von dem sie zunächst nicht ganz so angetan ist.
Für ihn ist es schon eher Liebe auf den ersten Blick.
Er besucht sie deshalb im KaDeWe.
Irma kann seiner zuvorkommenden, höflichen und aufrichtigen Art nicht widerstehen. Sie nähern sich an und aus dem zarten Pflänzchen der Verliebtheit wird langsam und stetig eine tiefe Liebe. Sie träumen von einer gemeinsamen Zukunft und planen, zu heiraten.

Über ihrem Glück schwebt jedoch schon bald eine große Gefahr: der aufkommende Nationalsozialismus.
Die Nazis wissen deren Eheschließung zu verhindern und nicht nur das.
Natürlich entgeht auch Erich nicht der Judenverfolgung.
Er wird deportiert und überlebt wie so viele andere Juden dieses düstere und brutale Kapitel der Menschheitsgeschichte nicht.

Irma bleibt mit ihrer tiefen Trauer und mit ihrer innigen Liebe zurück.
So innig ist diese Liebe, dass sie noch nach Erichs Tod darum kämpft, ganz offiziell seine Ehefrau zu werden.

Ob es ihr gelingt, dieses absurd erscheinende Ziel zu erreichen, werde ich sicher nicht verraten ;-)

Anke Gebert erzählt schnörkellos und klar, feinfühlig, sprachgewaltig und eindringlich von einer ganz einzigartigen, besonderen und außergewöhnlichen Liebe.

Sie zeichnet ihre Figuren vielschichtig und differenziert und deren Entwicklungen, die nicht immer gefällig sind, nachvollziehbar und glaubhaft.

Der Roman, sowohl historischer Roman, als auch Liebesroman, der auf einer wahren Begebenheit beruht und nicht mal ansatzweise schwülstig oder schmonzettig ist, hat eine emotionale Wucht, die den Leser nicht nur berührt, sondern aufwühlt und fesselt und das Buch neben einem eindrücklichen Zeitzeugnis zum Pageturner macht.

„Wo Du nicht bist“ hat mich beeindruckt und äußerst gut unterhalten.

Übrigens: Vor dem Haus Nummer 141 am Berliner Ku’damm wurde im Oktober 2020 ein Stolperstein für Dr. Erich Bragenheim verlegt.
Es ist ein Mahnmal.
Wie schön, dass Anke Gebert uns die Geschichte dahinter erzählt.

Ich empfehle diesen lesenswerten Roman sehr gerne weiter!