Ein Haus, eine Familie, viele Konflikte

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lyxyareli Avatar

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Mit Wo wir uns treffen legt Anna Hope einen emotional aufgeladenen Familienroman vor, der sich rund um den Tod des Patriarchen Philip Brooke entfaltet. Über fünf Tage hinweg begleiten wir die Familienmitglieder sowie einige Weggefährten auf dem traditionsreichen Anwesen in Sussex, das nicht nur Erinnerungen, sondern auch unausgesprochene Konflikte und tief verwurzelte Geheimnisse birgt.

Positiv hervorzuheben ist der multiperspektivische Aufbau: Jeder der Erzähler bringt seine eigene Geschichte, Wahrnehmung und emotionale Verfassung ein, was einen dichten, vielschichtigen Blick auf die Geschehnisse ermöglicht. Die Charaktere sind differenziert gezeichnet – nicht immer sympathisch, aber glaubwürdig. Besonders gelungen ist, wie die Autorin es schafft, psychologische Brüche, familiäre Spannungen und persönliche Schuldgefühle spürbar zu machen.

Thematisch greift Hope relevante Fragen auf – etwa Rassismus, Klassismus, Umweltverantwortung und koloniale Schuld. Diese Dimension verleiht dem Roman Tiefe, wenngleich manche Botschaften recht direkt und wenig subtil vermittelt werden. Die gesellschaftskritischen Töne hätten mehr Raum für Zwischentöne vertragen – stellenweise wirkt die Erzählung fast belehrend.

Kritisch gesehen lässt der Roman in der zweiten Hälfte etwas an Spannung nach. Während der Einstieg mit Atmosphäre, Konfliktpotenzial und emotionaler Wucht punktet, verliert sich die Geschichte zeitweise in Wiederholungen und ausufernden inneren Monologen. Manche Figuren werden spürbar bevorzugt behandelt, während andere trotz ihres Potenzials nicht ganz zur Entfaltung kommen. Zudem bleibt eine gewisse emotionale Distanz zu den Figuren – nicht jeder Leser wird sich mit den überwiegend privilegierten, teils egozentrischen Protagonisten identifizieren können.

Der Schreibstil ist dennoch durchgehend flüssig und poetisch, mit treffenden Bildern und einer gelungenen Struktur: Die Tage rund um die Beerdigung geben dem Roman einen klaren zeitlichen Rahmen, der die Entwicklungen der Figuren eindrucksvoll einfängt. Das Ende ist offen, aber stimmig – und deutet an, dass aus dem Chaos auch Heilung entstehen kann.

Fazit:
Wo wir uns treffen ist ein vielschichtiger, atmosphärischer Familienroman mit gesellschaftlichem Anspruch und emotionaler Tiefe. Trotz einiger Längen und erzählerischer Schwächen lohnt sich die Lektüre – insbesondere für Leser*innen, die sich für psychologische Familiendynamiken und kritische Einblicke in das Leben der britischen Oberschicht interessieren.