Ein schweres Thema sensibel und leicht erzählt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
jollybooktime Avatar

Von

"[V]or allem ist die WG mein Zuhause, sie ist unser aller Zuhause, und ich habe eine Scheißangst." (S. 225)

Wie geht es alleinstehenden Menschen, die nur wenig Kontakt zur Familie oder keine Kinder haben, mit dem Altwerden? In den letzten Jahren hat das Gefühl der Vereinsamung stark zugenommen. Das Konzept der Alten-WG ist kein neues, aber möglicherweise eines, das sich immer mehr Menschen vorstellen können. Wenn schon keine "richtige" Verwandtschaft, so doch zumindest "Wohnverwandtschaften", wie sie Isabel Bogdan in ihrem neuen Roman beschreibt.

Anke ist Schauspielerin und gerade ohne Engagement, Constanze ist Zahnärztin und hat sich von ihrem Freund getrennt, Murat liebt es, für andere zu kochen und schläft nicht gern allein und Jörg, in dessen Wohnung die vier gemeinsam leben, wird immer schusseliger.
Für sie alle ist die WG irgendwie Familienersatz. Hier hat Alleinsein keinen Raum. Vor allem als Jörg mehr und mehr verschwindet, ihm die Wörter abhanden kommen und all das zu einem handfesten Krankheitsbild wird, ist klar: Eine:r bleibt immer bei ihm. Liebevoll sortieren die Mitbewohner:innen ihren Alltag um Jörg herum, bis sie merken, dass es eine andere Lösung braucht.

Was seicht beginnt und mich, ehrlich gesagt, ein bisschen an einen Mittwochabend-Film mit Heiner Lauterbach und Konsorten erinnerte, nimmt ab etwa der Hälfte in seiner Dramatik spürbar zu. Erst war Jörgs Vergesslichkeit für seine Mitbewohner:innen irgendwie noch ganz süß, dann fängt es an zu nerven, bis es besorgniserregend wird. Am Ende müssen die wirklich harten Entscheidungen getroffen werden: Generalvollmacht, Patientenverfügung etc. Da ist der Kloß in meinem Hals dann doch merklich dicker geworden. Es ist eine Geschichte, wie sie so oder ähnlich wohl auf uns alle wartet. Die Gedanken, die sich die Protagonist:innen machen, sind alle nachvollziehbar und von der Autorin in eine lockere Sprache verpackt. Ein schweres Thema sensibel und trotzdem irgendwie leichtfüßig erzählt.

Frei und unabhängig von anderen alt zu werden, ist vermutlich kaum möglich, vielleicht aber auch gar nicht erstrebenswert. Wir brauchen nur die richtigen Menschen um uns! "Walk on, walk on! With hope in your heart. And you'll never walk alone!" (S. 226)