*+* Isabel Bogdan: "Wohnverwandtschaften" *+*

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Mit „Der Pfau“ und „Laufen“ hat Isabel Bogdan bei mir jeweils einen ganz bestimmten Nerv getroffen. Sie hat einen ganz eigenen Stil, um ihre Geschichten zu erzählen, und beweist es erneut bei diesem Roman, „Wohnverwandtschaften“.

Aus einer Notlösung wird hier ein Lebensanker für Constanze, eine der vier äußerst verschiedenen Protagonisten. Sie selbst ist angestellte Zahnärztin und frisch gestresst von ihrem Lebensgefährten. Schauspielerin Anke, die andere weibliche Figur, wartet sehnsüchtig auf Rollenangebote. Wohnungsbesitzer Jörg, der älteste von allen, plant eine große Reise. Murat ist selbstständig, pflegt hingebungsvoll seinen Schrebergarten und bekocht sehr gerne seine WG-Familie. Ich erlaube mir ein Zitat Murats aus dem Buch, denn es charakterisiert diese vier Menschen und ihr Zusammenspiel perfekt:

„Jörg ist bei uns das Mehl, die Trägermasse, ohne ihn geht gar nichts. Vielleicht bin ich das Wasser, ich halte den Teig geschmeidig. Ich glaube, Anke ist die Eier, sie macht ihn fluffig und nimmt die Klebrigkeit raus. Mit Eiern ist schon super, und wir haben zu dritt ja auch wunderbar funktioniert, aber seit Constanze da ist, sind wir was Besonderes. Constanze ist die Kräuter. Das werden die besten Spätzle ever.“

Ich liebe diese Geschichte, die fast schon ein Kammerspiel ist, denn bis auf einige wenige Szenen spielt sie sich komplett innerhalb der WG ab und wird ergänzt um einige Telefonate. Durch den ganz speziellen Schreibstil habe ich die Geschehnisse wie in einem „Kopf-Theater“ vor meinem inneren Auge ablaufen sehen, denn Gespräche werden beispielsweise um Regie-Anweisungen wie „Küche. Murat kocht“, ergänzt. Dieses Lesefeeling gefiel mir sehr. Auch als sich ein riesengroßes Problem für unser Quartett bahn bricht, findet Isabel Bogdan die richtigen (Nicht-)Worte dafür.

Dadurch, dass man bei allem hautnah dabei ist, entwickelte sich bei mir eine große Nähe zu den Charakteren, sie selbst aber auch eine ungeheure Tiefe untereinander, was ihren Zusammenhalt betrifft. Jeder trägt sein eigenes Päckchen und hilft den anderen dabei, ihre Lasten zu schultern und leichter zu machen. Das Sprichwort „Blut ist dicker als Wasser“ greift hier eindeutig nicht. Wenn Familien funktionieren, sind sie etwas wunderbares, aber dennoch können sie nicht immer zeit- und raumnah für ihre Lieben da sein. Wohl dem, der dann solch eine WG im Rücken hat! Wahre Freunde sind sehr wertvoll.

Es ist beeindruckend, wie sehr man zusammenwachsen kann, wenn man nur will, ganz unabhängig von Alter, Werdegang, Herkunft und persönlichen Eigenschaften. Unsere Protagonisten sind nicht makellos, sie sind Menschen wie du und ich, mit all ihren Stärken und Schwächen. Und dennoch sieht man geflissentlich über die vermeintlichen Fehler der anderen hinweg – auch ich stieß mich an der ein oder anderen Eigenschaft, aber ist das nicht marginal, wenn der Rest stimmt? – und bildet ein starkes, funktionierendes Team…..solange, bis es leider an seine natürlichen Grenzen stößt. Und selbst dann steckt hier niemand den Kopf in den Sand.

Von mir gibt es auch für den dritten Roman der Autorin eine begeisterte, riesige Leseempfehlung!!