Wahlfamilie

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Nach der Trennung von ihrem Freund zieht Constanze für den Übergang in eine Wohngemeinschaft. Es ist keine Studenten-WG, die Mitbewohner sind schon älter. Die Wohnung gehört Jörg, der von einer großen Reise mit seinem Bulli träumt. Anke ist Schauspielerin, über 50 und bekommt kaum noch Rollen. Murats Leidenschaft sind der Garten und gutes Essen. Der Übergang wird zum Dauermodell, Constanze fühlt sich wohl in der Gruppe.
Wir begleiten die WG zwei Jahre lang, können Höhen und Tiefen miterleben. Isabel Bogdan erzählt in kurzen Kapiteln, zwischen denen meist zwei Wochen liegen, manchmal weniger.
Überwiegend ist es die Perspektive eines der Bewohner im Stream of Consciousness, manchmal sind es Dialoge, manchmal - wenn alle vier zusammensind - ist es wie ein Drehbuch aufgebaut. Das ist schnell und leicht lesbar. Die Wechsel gefielen mir gut, besonders die Abschnitte mit Constanze erinnerten an "Laufen", das mir sehr gut gefiel. Nicht so begeistert haben mich die drehbuchartigen Szenen, aus meiner Sicht hätten dem Roman statt dessen einige reine Erzählabschnitte gutgetan. Durch die Perspektivwechsel lernt man die Charaktere gut kennen, das meiste (aber nicht alles) ist gut nachvollziehbar und authentisch. Über das reine Geplänkel hinausgehend entsteht mehr "Inhalt", als bei Jörg Demenz auftritt, die sich dann chronisch verstärkt.
Das Buch handelt von Freundschaft und Zusammengehörigkeit, von Bindungen, die die Qualität familiärer Verknüpfungen haben können.
Mit den von mir sehr geschätzten Bücher "Der Pfau" und "Laufen" kann es aus meiner Sicht nicht mithalten, aber es ist gut lesbare Unterhaltung, geht schon ein wenig in die Richtung "Wohlfühlroman". Meine Bewertung würde bei 3,5 liegen und ich habe lange überlegt, ob ich dies auf- oder abrunden soll. Abrunden wegen der Enttäuschung im Vergleich zu den vorigen Büchern. Aufrunden, weil die Thematik Demenz sehr gut nachvollziehbar in Jörgs Stream of Consciousness dargestellt wurde. Dafür habe ich mich dann entschieden.