Zu wenig Tiefgang

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aischa Avatar

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Der Klappentext von Wohnverwandtschaften verspricht eine interessante Ausgangssituation: Zahnärztin Constanze verlässt ihren Freund und zieht in eine Vierer-WG. Was zunächst als Übergangslösung gedacht ist, entwickelt sich für sie überraschend gut. Doch leider ist es ansonsten in Bezug auf Entwicklung nicht weit her in diesem Roman. Die Figuren wirken auf mich wie einer seichten TV-Serie entsprungen, als da wären: Anke, Schauspielerin um die 50, kämpft mit ausbleibenden Rollenangeboten. Jörg, ein pensionierter Journalist, steht vor der Herausforderung einer beginnenden Demenzerkrankung, und - ein bisschen Diversität muss auch sein - der türkischstämmige Sunnyboy Murat, dem die Frauenwelt zu Füßen liegt.. Doch statt diese komplexen Charaktere und Konflikte auszuloten, bleibt Bogdans Roman enttäschend oberflächlich.

Fragen, die der Stoff geradezu aufdrängt – wie sich die Charaktere einander annähern, welche Spannungen oder Missverständnisse sich aus den unterschiedlichen Lebenswelten ergeben, oder wie die Demenzerkrankung Jörg und sein Umfeld verändert – werden bestenfalls gestreift. Constanzes Trennung und ihre emotionale Verarbeitung werden kaum thematisiert, obwohl sie den Ausgangspunkt der Geschichte bildet. Ebenso bleibt unbeleuchtet, was es tatsächlich bedeutet, rund um die Uhr mit einem Demenzkranken zusammenzuleben und ihn zu unterstützen. Statt realistischer und nuancierter Auseinandersetzungen dominieren stereotype Darstellungen und platte Dialoge. Auch der humorvolle Ton, wirkt leider oft deplatziert und lenkt von der eigentlichen Thematik ab, anstatt sie aufzulockern.

Besonders ärgerlich ist der Titel. Der Versuch, mit "Wohnverwandtschaften" eine Verbindung zu Goethes "Wahlverwandtschaften" herzustellen, wirkt angesichts des inhaltlichen und sprachlichen Anspruchs des Romans fast anmaßend. Während Goethe komplexe Beziehungsgeflechte meisterhaft analysiert, liefert Bogdan hier eine Geschichte, die mehr wie eine belanglose Aneinanderreihung von Episoden wirkt.

Fazit: Wohnverwandtschaften hat eine starke Prämisse, die jedoch nicht konsequent umgesetzt wird. Der Roman bleibt oberflächlich und klischeehaft und lässt vieles ungesagt, was für die Geschichte essenziell gewesen wäre. Ein Gewinn ist diese Lektüre leider nicht.