Zweck-WG oder Wahl-Familie

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caro la Avatar

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Wohnverwandschaften – Isabel Bogdan

Es ist die Geschichte von Jörg, Anke und Murat. Sie wohnen in einer Wohngemeinschaft. Und von Constanze, sie zieht in das letzte freie Zimmer der WG. Alle WG-Bewohner sind bereits „mitten im Leben“, längst keine Studenten mehr, wie man es bei einer WG vermuten könnte. Jörg, ist der Älteste und ihm gehört die Wohnung. Er vermietet die Zimmer unter, um der Einsamkeit nach dem Tod seiner Frau zu entgehen und um Geld zu sparen für seine große Lebensreise, die er bald machen möchte. Die anderen drei sind jünger, Anke eine gescheiterte Schauspielerin mit ständigen Geldsorgen, Murat der gesellige Typ und Constanze kommt grad aus einer gescheiterten Beziehung und will die WG als Zwischenlösung nutzen. Man lernt alle vier sehr gut kennen, weil die Kapitel abwechselnd aus einer Art inneren Monolog einer der vier Protagonisten und Kapitel die wie ein Drehbuch verfasst sind, wo man das Miteinander (meist in der WG-Küche) erlebt – dadurch bekommt das Buch einen besonderen Schwung, man kann es kaum aus der Hand legen. Natürlich kommen Probleme auf – insbesondere weil Jörg immer vergesslicher wird und die drei Mitbewohner zunächst jeder unterschiedlich damit umgehen. Es ist berührend, die Perspektive von Jörg zu lesen und wirklich wunderbar, wie die Autorin das Fortschreiten der Erkrankung auch sprachlich umsetzt. Und auf der anderen Seite die drei Mitbewohner, die schon lange keine Zweck-WG mehr sind, sondern sich als eine besondere Art von Familie begreifen. Ein schönes, stellenweise trauriges, trotzdem immer humorvolles Buch, was ich gern gelesen habe.