Wunderländer

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cith Avatar

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Schön gestaltetes Buch über die Wunderländer der fantastischen Literatur. Insgesamt gefällt mir das Werk gut. Ideal zum stöbern und querlesen. Man kann das Buch an jeder beliebigen Stelle aufschlagen und ein Autorenporträt lesen. Gleichzeitig gibt es eine chronologisch Ordnung, sodass man einen Überblick über die Entwicklung des Genres bekommt.

Schade fand ich, dass sich in der Regel auf ein Werk des Autors konzentriert wurde. Ich finde es schon passend, dass das bekannteste Werk vorgestellt und porträtiert wird, aber eine kleine Randnotiz à la "Weitere Romane des Autors (Auswahl)", hätte ich schön gefunden.

Mir haben einige durchaus bekannte Größen des Genres gefehlt, jedoch muss das Buch verständlicherweise eine Auswahl treffen, sodass ich das zwar schade, jedoch auch nachvollziehbar finde. Das Werk erhebt ja auch nicht den Anspruch eine vollständige Sammlung der lesenswerten oder kennenswerten Fantasy- und Science-Fiction-Autoren zu bieten.

Insgesamt eine schöen Ergänzung zu dem Buch "Verrückt nach Karten: Geniale Geschichten von fantastischen Ländern" von Huw Lewis-Jones. Ich habe manches Mal die Bücher nebeneinander gelegt und die Informationen zusammengeführt. Die Auswahl der Autoren unterscheidet sich natürlich schon deutlich. Aber Größen wie Tolkien sind in beiden Büchern enthalten.

Gerade bei dem Vergleich der beiden Bücher ist mir jedoch auch das für mich größte Manko aufgefallen: der teilweise sehr persönlich geprägte Text über das jeweilige Werk beziehungsweise den/die Autor*in. Natürlich prägt die Herausgeberin ihr Werk allein durch die Auswahl, wie auch durch den zu dem Werk verfassten Text / Beitrag. Jedoch merkt man recht deutlich welche Autor*innen die Herausgeberin schätzt und welche nicht so. Teilweise hätte ich mir dort mehr Objektivität gewünscht. Ich finde kritisches Hinsehen wichtig und empfinde es auch durchaus als passend, wenn beispielsweise bei Doyle darauf aufmerksam gemacht wird, dass in seinen Werken "eine Reihe uncharmanter Beschreibungen nicht auropäischer Ethnien" verwendet wird, weil dies dort mit den Worten "typisch für Doyles Zeit" eingeordnet wird. (Gleichzeitig wird hier sogar im darauffolgenden Text darauf verwiesen, dass Doyle sich aktiv für Menschenrechte einsetzte). Dann gibt es jedoch auch Stellen wie folgende bei Aldous Huxley, wo die Beschreibung und die Stellung von Frauen in dem Roman "Schöne neue Welt" kritisiert wird und anschließend folgender Satz: "Einige Veränderungen waren augenscheinlich auch für einen gebildeten Mann wie Huxley Anfang der 1930er-Jahre unvorstellbar." Das stößt mir dann auf, weil die Herausgeberin schlicht nicht weiß, ob Huxley die Gleichberechtigung in der Zukunft für unvorstellbar hielt oder die Unterdrückung von Frauen bewusst in seinem Roman so dargestellt hat. Gleichzeitig suggeriert das Wort "augenscheinlich" eine scheinbare Objektivität, und der Verweis auf die Bildung von Huxley stuft ihn noch weiter herab. Zumindest war das mein Gefühl. Das ist jetzt exemplarisch ein Beispiel um zu verdeutlichen was ich mit meiner Kritik meine.

Bei all der Kritik bleibt das Buch jedoch eine schöne Anregung zum Weiterstöbern und zum (Wieder-)Entdecken von Autor*innen und weckt jedenfalls bei mir die Neugier mich näher mit einigen dieser zu beschäftigen. Für vertiefte Informationen zu Werk und Autor ist es nicht geeignet - aber wohl auch nicht gedacht.

Ich würde dreieinhalb Sterne vergeben.