Die Hoffnung stirbt zuletzt

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gabriele 60 Avatar

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„Es tröstete sie, ihn in ihrer Nähe zu wissen, ein Trost, den es nur zwischen zwei Menschen geben kann, die ihre frühesten Erinnerungen teilen.“ (Seite 25)

Hadia heiratet und wünscht sich nichts sehnlicher, als ihren Bruder Amar wiederzusehen. Aus diesem Grund lädt sie ihn ein – obwohl sie Angst hat, dass ihr Vater Rafik wieder einen Wutanfall bekommt. Amar ist in seiner Jugend zu oft anders gewesen, als der Vater sich seinen Sohn gewünscht hatte.

Hadia stammt aus einer in Amerika lebenden muslimischen Familie, die ursprünglich aus Indien kam. Im zweiten Teil des Buches (das insgesamt vier Teile hat) beschreibt die Autorin das Leben in der Familie von der frühesten Kindheit der drei Geschwister bis ins Erwachsenenalter hinein. Wir Leser erfahren viel über den muslimischen Glauben, über das Gemeindeleben und die Einstellung der Eltern zum Leben.

„Woher kommt, wenn man sich mag, Liebe empfindet, Zärtlichkeit, bisweilen Begehren, diese Scheu? Selbst vor ihrem eigenen Ehemann hat sie Hemmungen etwas auszusprechen.“ wird auf Seite 60 die Einstellung der Mutter zu ihrem Ehemann beschrieben. Ihren Kindern gegenüber verhält sie sich meist loyal. Der eine große Fehler, den sie gemacht hat, wird ihr erst viel zu spät bewusst.

Die Autorin erzählt nicht chronologisch, sie beschreibt viele verschiedene Augenblicke. So entsteht nach und nach ein Gesamtbild. Als Leser erfahren wir von der ersten Liebe, die nicht sein darf. Von der Sehnsucht der Kinder nach Anerkennung. Hadia begehrt auf, möchte ebenso geliebt werden wie ihr Bruder – worauf Ihr Vater antwortet: „Weil es die Rolle der Tochter ist wegzugehen, eine eigene Familie zu gründen, den Namen ihres Mannes anzunehmen – Töchter gehören uns nie wirklich.“ (Seite 205).

Immer wieder werden Stellen aus dem Koran herangezogen. Sie verdeutlichen, wie viele Geschichten denen aus der Bibel gleichen. Es stellt sich beispielsweise die Frage der Integration: Mutter Leila wünscht sich, dass die Kinder zu Hause die Muttersprache Urdu benutzen; doch sie ziehen Englisch vor, die Sprache des Landes, in dem sie zur Schule gehen. Auch wehren sie sich teilweise gegen die althergebrachten Sitten und Gebräuche ihrer Eltern.

Besonders beeindruckt hat mich der vierte und letzte Teil dieses Buches, der den Gedanken des Vaters gewidmet ist und zeigt, wie schwer er sich zwischen dem, was er als Kind gelernt hat und dem modernen Leben bewegt.

In meinen Augen ist der Autorin mit diesem Buch ein ganz besonderer Wurf gelungen. Ich habe mich einerseits durch die angenehme Sprache sehr gut unterhalten gefühlt, habe aber auch eine Menge über Muslime und ihre Lebensart gelernt. Gleichzeitig konnte ich hinter die Fassade einer Familie schauen, die nach außen hin versuchte, allen gerecht zu werden, aber innerlich tiefe Wunden zu verarbeiten hatte.