Spannende Familientriade

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gerwine ogbuagu Avatar

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Mit den Hochzeitsvorbereitungen Hadias, assistiert von ihrer Schwester Huda und ihrer Mumma Laila beginnt die Geschichte. „Ein Trost, den es nur zwischen zwei Menschen geben kann, die ihre frühesten Erinnerungen teilen“ kommt Hadia in den Sinn, die ihre frühesten Erinnerungen mit ihrem Bruder Amar teilt. Sie hat Amar so lange nicht mehr gesehen, seit er die Familie verlassen hat. Heute, am Hochzeitstag, ist Hadias Mutter glücklich, ihre Schwester Huda zu Tränen gerührt, denn Amar hat zugestimmt, worum Hadia ihn gebeten hat: an ihrer Seite zu gehen, die noch frei ist, wenn sie den Hochzeitsweg zum Trauungssitz beschreiten wird. So wird sie von Vater und Bruder geleitet werden.
Die Geschichte wird unchronologisch erzählt, Mirza zeigt sie uns wie ein Puzzle – wir lesen die Abschnitte und setzen sie dann gedanklich in der richtigen Reihenfolge zusammen, um das Bild bis zum Schluss zu vervollständigen.
Während Hadia auf Amar wartet, strömen Erinnerungen auf sie ein. Die Familienkonflikte zeigen sich im subtext, die Beziehung der Eltern, Laila und Rafik, erfahren wir durch ihr Gespräch, während sie sich ankleiden.
Nach seiner Ankunft geht Amar in sein Zimmer, erinnert sich beim Durchsehen alter Dokumente in seinem Kleiderschrank an seine große Liebe Amira, die er schon zwischen den Gästen erspäht hat. Wir lesen von dieser ganz besonderen Beziehung später in der Geschichte. Wie Mirza die Bruchstücke der vielen Begebenheiten aneinanderfügt, gelingt meisterhaft, sie spinnt einen Faden durch dieses Familienlabyrinth. Sie erzählt vom feinen Gewebe, das diese Familie zusammenhält und wie die Zeit unerbittlich Löcher hineingefressen hat.
Diese Familie ist eingesponnen in die islamische Gemeinde und alle sollen, nein müssen, sich Regeln unterwerfen – es ist nicht leicht. Jeder beobachtet jeden und von den Heranwachsenden wird erwartet, sich zu beugen und den Eltern zu folgen. Empfindsam und gefühlvoll beschrieben sind die besonderen Freundschaften seit der Kindheit der Geschwister Hadia und Amar mit Abass und Amira aus einer befreundeten Familie, ein Tabuthema innerhalb der Gemeinde. Verhaltene romantische Liebe, gelebt in heimlichen Ritualen an versteckten Plätzen – alle mit einer besonderen Bedeutung. So brechen Kinder dieser Familien als Jugendliche starre Regeln, die in traditionellen Familien vorherrschen, immer verfolgt von Angst vor Entdeckung.
Nicht nur das Leben dieser Familie wird angestrahlt, auch die Vergangenheit Lailas, der Mutter, und wie sie nach Amerika kam, wird beleuchtet. Von den Explosionen des Feuerwerks am 4. Julia, Amerikas Feiertag, werden wir zurückgeführt zu Hadias Mutter und ihrer Schwester Sara. Laila soll verheiratet werden. Das bevorstehende Treffen mit dem zukünftigen Bräutigam Rafik, der bereits in Amerika erfolgreich lebt, besprechen die Schwestern.
Es ist das Unausgesprochene, das Leser so fasziniert - es bleibt unsichtbar, ist aber immer präsent.
Die Geschichte nimmt uns gefangen mit der Eindringlichkeit, die der sanfte und ruhige Schreibstil Mirzas vermittelt. Er ist bei aller Zurückgenommenheit expressiv und immer spannend.
Auf Grausamkeiten unter Schülern in einer amerikanischen Schule gegen ihre pakistanischen Mitschüler mit arabischen Namen werden grelle Schlaglichter geworfen nach den Ereignissen des 11. Septembers. Wir verfolgen die Laufbahn aller drei Geschwister, wobei Hadia ihren Bruder Amar immer unterstützt in seiner Haltlosigkeit. Er, der einzige Sohn, auf den die Hoffnungen besonders des Vaters fokussiert sind, geht seinen eigenen Weg – einen Weg, der in der strengen islamischen Gemeinde keinen Platz finden kann.
Vor uns liegt eine wundersame, farbige, oft verstörende und dann wieder unser Herz berührende Geschichte. Sie wird lange in uns bleiben. Ich habe sie auf meine persönliche Liste der „Beste Bücher des Jahres 2019“ gesetzt, auch wenn das Jahr noch jung ist.