Eine Liebe, die nicht sein darf

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Ein Buch - es kann, es muss in Erstaunen versetzen (S.53).
Die Autorin Guinevere Glasfurd hat sich an das Ultimatum gewagt, ein Buch, einen historischen Roman, zu schreiben, dass auf einer wahren Begebenheit beruht - über die Beziehung einer Magd - Helena van der Strom zu dem französischen Philosophen René Descartes. Eine Liebe, die nicht existieren darf. Über ein Versteckspiel, ein Versteckspiel vor der Gesellschaft.

Inhalt
Amsterdam, 1630er Jahre. Helena Jans van der Strom arbeitet als Magd bei einem Buchhändler. Ein großes Glück für sie, denn sie kann lesen und schreiben und geht mit offenen Augen durch die Welt. Der neue Hausgast ihres Herrn fasziniert sie: Er arbeitet ununterbrochen, und Helena ist angewiesen, ihn „Monsieur“ zu nennen. Der Fremde zieht viele Besucher an, und sie erfährt seinen echten Namen: René Descartes. Sie ist zu neugierig, um Distanz zu wahren. Und auch Descartes ist schon bald von ihrem Charme und Wissensdurst eingenommen. Sie verlieben sich, was unmöglich ist: Sie ist Calvinistin, er Katholik. Sie ist nur eine einfache Magd, er Europas aufstrebender Philosoph. Die beiden sind zwei kühne, mitreißende Geister, die sich von dem Standesdünkel des Goldenen Zeitalters in Holland nicht aufhalten lassen.
Quelle: http://www.ullsteinbuchverlage.de/nc/buch/details/worte-in-meiner-hand-9783471351239.html

Zur Autorin
Guinevere Glasfurd ist im bergigen Norden Englands aufgewachsen, doch jetzt lebt sie in einer der flachsten Gegenden der Welt, am Rand der Fens nahe Cambridge, gemeinsam mit Ehemann, Tochter und zwei Katzen. Die Arbeit an "Worte in meiner Hand" ist vom Arts Council England gefördert worden. Guinevere Glasfurds Texte sind immer wieder ausgezeichnet worden, zuletzt mit dem TLC's Pen Factor Award. Mehr auf der Website guinevereglasfurd.com.
Quelle: http://www.ullsteinbuchverlage.de/nc/autor/name/Guinevere-Glasfurd.html

Äußeres
Das Buch liegt als Hardcover vor. Es ist sehr hochwertig verarbeitet, die Seiten weisen eine angenehme Dicke auf, das Schriftbild ist sehr angenehm. Das Buch ist von einem Schutzumschlag umgeben, über dem noch ein weiterer kleinerer, durchsichtiger Schutzumschlag liegt, der Hinweise zum Inhalt mit sich birgt. Auf dem Cover ist eine junge Frau schüchtern seitlich blickend. Es ist vorranging in Blau gehalten. Überdies ist das Buch mit einem Lesebändchen ausgestattet, was sich als überaus praktisch erweist.

Das Buch ist in Abschnitten unterteilt, die aus den Orten, wo sich die Protagonistin aufhält bestehen, inklusive Jahreszahlen zur zeitlichen Einordnung. Diese sind auch in Kapitel unterteilt, die mit stets einem Stichwort, ein Gegenstand, der für das jeweilige Kapitel ausschlaggebend ist, betitelt sind. Diese haben eine angenehme Länge.

Schreibstil
Die Autorin hat einen wunderbaren Schreibstil. Durch diesen fühlt man sich schnell in das 17. Jahrhundert zurückversetzt, allerdings ist er trotzdem gut zu lesen, trotz dieser altertümlich verwendeten Sprache, ist der Schreibfluss von modernen Ausdrücken geprägt. Das Buch durziehen Begriffe vieler Sprachen, zum einen Französisch, die Sprache des Monsieurs, dann zum anderen Niederländisch. Die Worte sind verständlich, auch ohne Sprachkenntnisse, weil sie entweder im darauffolgenden Satz oder im Zusammenhang erläutert werden. Somit erreichen alle Charaktere eine ausgesprochene Authentizität, da durch die Verwendung ihrer Sprache auch ein Hauch ihrer Nationalität mitspringt.

Das Buch liest sich gut, die Sätze sind von angenehmer Länge, nicht zu einfach, aber auch nicht zu kompliziert gestaltet, sehr verständlich zu lesen. Das Buch wird von so vielen wunderbaren Zitaten durchzogen, die die bildhafte Sprache der Autorin unterstreichen. Viele sind sehr einfallsreich, beispielsweise: Hexagonal - was für ein Wort. Wenn es Geschmack hätte, würde es nach Kirschen schmecken. (S.159)

Die Wortwahl der Charaktere lässt auch auf ihren Stand schließen, beziehungsweise die Art der Wörter, die sich von sich geben. Beispielsweise spricht Descartes oft von Büchern, die seinen Stand als Philosoph und seiner besonderen Beziehung zu Büchern unterstreichen, wie Bücher haben Macht. Bücher haben Folgen (S.135). Während die Gedanken Helenas eher bildhaft sind und von Sinneseindrücken durchzogen sind, das verdeutlicht, dass Descartes eher ein rationaler Denker ist, während Helena eher bildlich und mit allen Sinnen denkt. Trotz allem merkt man aber in der Wortwahl Helenas, dass sie doch gebildeter ist als manche eine andere Magd, dass sie intelligenter ist, als sie es eigentlich sein sollte. Sie interessiert sich sehr für die Arbeiten Descartes und kann sich auch gewählt ausdrücken. Auch bei ihrer Tochter verhält sich das genauso, man merkt, dass das Kind aus einem gebildeten Elternhaus stammt. Die Autorin schafft es, das alles authentisch rüberzubringen und den Leser in die Welt des 17. Jahrhunderts eintauchen zu lassen, ohne ihn sich darin verlieren zu lassen und ihn zum Verzweifeln zu bringen.

Ein besonderer Schreibstil, sprachlich ist dieses Buch sicherlich ein Meisterwerk. Guinevere Glasfurd beherrscht die Kunst, eine gute Balance zwischen Dialog, Gedanken und Eindrücken hervorzubringen. Keine der Arten scheint zu dominieren, was diesem Buch ein besonderes Ambiente verleiht.

Orte
Das Buch spielt in verschiedenen Städten der Niederlande. Der Wechsel der Schauplätze wird durch die Überschriften der Abschnitte deutlich, jede einzelne Stadt wird authentisch beschrieben, aus der Sicht der Protagonistin Helena. Demnach sind manche Städte sehr genau beschrieben, beispielsweise Amsterdam. Der Markt und auch die ganze Stadt, sowie das Haus, in dem sie wohnt, weist eine außergewöhnliche Bildlichkeit auf, das dem Leser ermöglicht, ein Bild vor dem inneren Auge entstehen zu lassen.
Die Städte werden so beschrieben, wie die Protagonistin sie sieht. Genauso viel, wie viel sie sieht wird auch beschrieben. Man sieht mit ihren Augen. Dadurch wird eine unfassbar hervorragende Möglichkeit hervorgerufen, sich als Leser in die Protagonistin hineinzuversetzen.
Die Beschreibung der Orte erfolgt mit allen Sinnen, visuell als auch geruchlich, geschmacklich, etc.

Figuren
Die Protagonistin des Buches ist ganz klar die Magd Helena. Aus ihrer Sicht wird die Geschichte auch erzählt. Durch diese Perspektive wird dem Leser eine tiefe Einsicht in die Psyche der Magd ermöglicht. Auch die anderen Charaktere werden aus ihrer Sicht wahrgenommen, mehr oder minder ausgeprägt, je nach Beziehung zur jeweiligen Figur.

René Descartes ist der Mann, in den sich Helena verliebt und in dessen Schatten sie sich stellen muss. Wegen ihm muss sie vieles auf sich nehmen, um seine Liebe zu erhalten und um ihrer Tochter ein schönes Leben zu ermöglichen. Er wird mal positiv dargestellt, mal weniger positiv. Am Anfang ihrer ersten Verliebtheit wird er als fürsorglich, vorsichtig, als romantisch, als perfekt dargestellt. Später wandelt sich das Blatt, als er sich von seiner wahren Seite zeigt, als er Helena zu verstehen gibt, dass seine Arbeit wichtiger ist, als sie. Demnach versucht er sein Bestes, um seiner Tochter ein angenehmes Leben zu ermöglichen, aber ohne das Wissen, dass alles mehr Liebe bedurft.

Vom Limousin, des Dieners Descartes wird eher ein negativer Eindruck vermittelt. Er wird zumeist als eifersüchtig, kalt und herzlos dargestellt, er ist nicht damit einverstanden, dass Helena nun seinen Platz neben dem Monsieur einnimmt. Helena ist auch das ganze Buch über eher negativ gegenüber ihm eingestellt.

Francine wird als Gotteskind beschrieben, ihre herausragende Intelligenz wird nähergebracht, auch die Liebe der Mutter zum Kind wird sehr gut dargestellt. Auch der Vater, Descartes hat ein sehr positives Verhältnis zum Kinde. Das Kind verhält sich mal typisch altersgemäß, dann doch wieder etwas zu alt. Ihr Trotz und ihre kindliche Naivität passt zum Alter, allerdings sei zu bemängeln, dass ihre Intelligenz etwas zu überspitzt dargestellt wird, mit zwei Jahren kann sie beispielsweise schon ganze Sätze sprechen und das in verschiedenen Sprachen. Für ein Kind diesen Alters ist das wohl weniger realistisch.

Nebencharaktere wie der Bruder Thomas von Helena, ihre Mutter, Betje, verschiedene Frauen, etc. erweitern den Charme der Geschichte um ein Vielfaches. Manch einer mag die Charaktere als störend empfinden, ebenso wie ihre Geschichten, allerdings sehe ich persönlich das als angemessen an, schließlich wird aus dem (Alltags-)Leben einer Magd erzählt und im Leben spielen nun mal mehr Figuren eine Rolle als nur die Hauptcharaktere, sie stützt sich nun mal auf verschiedene Personen, viele sind ihr wichtig. Das zeigt auch, dass sie sich um ihre Kontakte bemüht oder es versucht.

Meine Meinung
Ich war von dem Buch auf eine besondere Weise angetan. Das Cover hatte eine magische Anziehungskraft auf mich, die Gestaltung ließ schon anmerken, dass es sich hier um ein ganz besonderes Stück Literatur handelte. Der transparente, schmalere Schutzumschlag machte mich neugierig, "eine wahre Geschichte, ein literarischer Liebesroman". Mir sagten beide Charaktere des Buches zunächst nichts, René Descartes war mir zunächst unbekannt, trotzdem war ich gespannt auf seine Geschichte, die Geschichte zwischen Helena und Descartes.

Beim Lesen des Buches hätte ich nicht gedacht, dass das Buch ausschließlich aus der Perspektive Helenas erzählt wird. Die zusätzliche Schrift auf dem Cover ließ doch etwas anderes vermuten. Ich dachte, dass auch René Descartes intensiver behandelt werden würde, ich dachte, dass auch aus seiner Perspektive erzählt werden würde, schließlich lautete doch die Überschrift "René Descartes UND Helena van der Strom". So hatte ich mir erwartet, mehr tiefgründigeres von Descartes zu erfahren.

Allerdings war die anfängliche Enttäuschung beim Lesen des Buches schnell wieder verschwunden. Ich bewunderte die Schreibkunst der Autorin, das Buch war von solch schönen und bildhaften Zitaten durchsäht, man musste es gernhaben. Der Stil war ruhig, das Buch hat es geschafft, mich zu fesseln und viele Emotionen aufkommen zu lassen. Es hat mich zum Weinen gebracht, als ich über die Tode einiger Figuren, die ich im Laufe des Buches sehr liebgewonnen hatte, erfuhr. Es hat mich in Rage versetzt, als ich las, wie sich manche Menschen gegenüber der Protagonistin und ihrem Kind verhalten haben, ich war fassungslos, konnte nicht glauben, wie respektlos und grausam manche Menschen doch sein konnten. Ich musste lachen, über die Naivität des Kindes. Ich war traurig, über die Wesenswandlung Descartes. Ich war immer gespannt, wie es weitergeht und das muss ein gutes Buch schaffen.

Das Buch war wohl sehr gut recherchiert. Es beruht auf einer wahren Begebenheit, das heißt, die Autorin musste sich an das Ultimatum wagen, sich an Eckdaten und handfeste Fakten zu halten, aber gleichzeitig den Leser nicht zu enttäuschen und ihn nicht zu langweilen. Obwohl das Buch auf einer wahren Begebenheit beruht, muss man sich vor Augen halten, dass nicht alles, so wie es im Buch beschrieben ist, unbedingt wahr sein muss. Mir kam alles sehr authentisch vor, das muss ein historischer Roman, der auf einer wahren Begebenheit beruht auch sein, allerdings ist es auch wichtig zu wissen, dass historisch nicht immer alles überliefert ist. Schließlich gab es damals kein Facebook & Co., von einer einfachen Magd wurde auch nicht viel überliefert, das heißt, dass fehlende Fakten ausgedacht werden mussten, diese aber zu den Fakten und Eckdaten passen mussten - eine schwierige Angelegenheit. Ich muss sagen, dass die Autorin dieses Ultimatum mit Bravur gemeistert hat, mir erschien keine der Handlungsstränge zweifelhaft oder falsch. Alles wurde wie bereits erwähnt sehr authentisch erzählt.

Das Buch ist definitiv kein kitschiger Liebesroman. Die Liebe zwischen den beiden wurde sehr realitätsgetreu dargestellt, auf überzogene kitschige Darstellungen der Zweisamkeit á la "Lass uns ein Meer aus Rosen bauen und darin schwimmen" wurde verzichtet. Die Gefühle von Helena für Descartes wurden schön impliziert, die Sehnsucht erschien auch realistisch. Sie lief ihm nicht nach wie ein Hund, wie manche Charaktere es in manch typischen Liebesromanen tun, er spielte auch nicht den perfekten Liebhaber, der jeden Tag eine romantische Überraschung bereithält, das Leben der beiden war voller Enttäuschungen, Freuden und körperlichen Zweisamkeiten. Authentisch, wie gesagt.

Ich habe besonders die Poesie und die Sprache des Buches liebgewonnen. Die bildhafte Sprache der Autorin, die von Sinneseindrücken durchzogenen Zitate. Viele bleiben mir auch jetzt noch im Kopf hängen, viele sind mit Büchern verbunden, ein Bücherwurm könnte sich viele davon an die Wand schreiben. Das Buch verleitet zum Träumen, es nimmt uns mit in eine Reise in die Vergangenheit, in eine Zeit, als Liebe noch Grenzen hatte.

Bezug auf die Gegenwart
Aber hat sie das nicht heute auch noch? Vielleicht nicht in dem Ausmaß, wie es im 17. Jahrhundert der Fall war, es sei zwar nicht abzustreiten, dass Helena, würde sie heutzutage leben ein besseres Leben hätte haben können, allerdings wäre auch nach wie vor ihr Ansehen in der Gesellschaft nicht besonders hoch. Heutzutage sind Philosophen weniger im Rampenlicht als früher, deshalb könnte, man exemplarisch, wenn man einen Bezug auf die heutige Situation herstellen möchte, Descartes als einen Prominenten herstellen. Wenn ein Prominenter ein Verhältnis mit einer seiner Angestellten, beispielsweise seiner Putzfrau hätte, ich denke, der Ständeunterschied ist vergleichbar wie im Buch, so würden weder er noch die Putzfrau ein gutes Ansehen in der Gesellschaft haben. Gerade, bei solch einem Altersunterschied, wenn der Herr mehr als doppelt so alt ist wie die Angestellte. Es würde wohl auch ein Versteckspiel folgen, die Prominenz würde, denke ich genauso handeln wie es auch Descartes in dem Buch tat, zunächst versuchen sie materiell gut zu versuchen, aber früher oder später würde auch ein Verlangen nach der Person, sollte es Liebe sein und nach dem Kind entstehen. Ein Versteckspiel würde folgen, vielleicht nicht äquivalent zum Buch, aber es würden sich durchaus einige Parallelen herstellen lassen.

Das zeigt, dass das die im Buch aufgegriffene Thematik von einer unerlaubten Liebe nicht historisch verwerflich ist, sondern auch in der Moderne eine gewisse Rolle spielen kann, ja auch in unserer Zeit durchaus noch vorkommen kann.



Fazit

Dieses Buch ist ein literarisches Meisterwerk, gerade vom sprachlichen Stammpunkt aus betrachtet und durchaus empfehlenswert für Leser, die gerne Romane lesen, die von einer Liebesgeschichte mit allen Höhen und Tiefen handelt, dessen Handlung aber etwas ruhiger verläuft. Der Leser des Buches muss auch eine Zuneigung für historische Romane haben.



Aufgrund des sprachlichen Könnens der Autorin und der Meisterung des Ultimatums, kann ich dem Buch mit gutem Gewissen 5/5 Sternen verleihen. Gewiss gibt es Kritikpunkte, diese fallen aber meines Erachtens nicht ins Gewicht.

Das Buch ist eines der schönsten Bücher, die ich je gelesen habe und ich kann es gewissenhaft gut weiterempfehlen.