Achtung, Wiedererkennung!

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riraraffi Avatar

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Wann war ich das letzte Mal wütend? Und wie habe ich mich gefühlt, wie hat mein Umfeld mich wahrgenommen?

Alles was die Ciani-Sophia Hoeder zum Thema Wut schreibt erscheint so logisch, dass ich mich beim Lesen manchmal dabei ertappt habe zu denken "Ja, wow, und jetzt?", nur um einen Satz später einen sogenannten “Mind-Blow” zu haben. Sätze wie “Ich bin nicht wütend, eher traurig”, kamen schon oft genug aus meinem Mund.
Gemeine und gehässige Kommentare anstatt wütend zu sein? Ich fühle mich ertappt.
Die Autorin schafft es jedoch, nicht von oben herab zu belehren, indem sie mit Geschichten vieler junger Frauen ihre Aussagen untermalt. Ganz besonders berührend fand ich das Interview mit den drei Generationen an Frauen einer Familie. Das hat mir wirklich den Einfluss des Umfeldes und aber auch die absolute Individualität im Umgang mit Wut vor Augen geführt. Vor allem hat es mir aber auch gezeigt, dass man was ändern kann und vielleicht auch sollte, bevor man seine Strategien an die eigenen Töchter weitergibt. Auch andere Gespräche lässt sie, wie beiläufig, an den richtigen Stellen einfließen. Natürlich wird die eine oder andere Situation gerne mal so ausgelegt, dass sie zu den eigenen Ausführungen passt, wer schon mal eine Hausarbeit o.Ä. an der Uni geschrieben hat, weiß, wie das läuft. Aber ich hatte nie den Eindruck, dass irgendetwas was sie sagt an den Haaren herbeigeführt wurde oder absolut nicht logisch nachvollziehbar ist.
Ich bin eine weiße, heterosexuelle, Cis-Frau, viele der angesprochenen strukturellen Probleme tangieren mich nicht im Alltag, es geht mich trotzdem was an. Insofern bot mir die Lektüre nicht nur Wiedererkennungswert, sondern auch eine Perspektive, die man für eine Weiterentwicklung der Gesellschaft auf jeden Fall regelmäßig einnehmen sollte.

Manch einer würde sagen, das Buch gehe zu sehr in die Richtung des Extremfeminismus, das dem Patriarchat jegliche Schuld gibt, aber so ist es nicht. Ich danke der Autorin für ihre tolle Herangehensweise an ein doch sehr sensibles Thema. Ich habe mich beim Lesen, trotz emotionaler Momente, rundum wohl gefühlt.
Ich war schon so oft wütend und habe es unterdrückt, weil ich mich dabei schuldig gefühlt habe und ich empfehle jedem, dem es auch so geht, dieses Buch zu lesen. Aber Achtung: Man könnte sich wiedererkennen.