Wutlyrik

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Yahya Hassans Gedichte sprühen nur so vor Energie. Der dänische Schriftsteller mit palästinensischen Wurzeln hat sich mit seinen Gedichten so einiges vom Leib geschrieben. Dazu passt, dass sie allesamt in Großbuchstaben geschrieben sind. Die Gedichte sind eine Abrechnung mit der Familie, vor allem mit dem gewalttätigen Vater, eine Abrechnung mit dem Islam. Sie sind eine Beschreibung des sozialen Brennpunkts von Aarhus, eine Beschreibung der Welt von Drogen und Kleinkriminalität.

Die Gedichte sind grob chronologisch angeordnet. Sie beginnen mit der Kindheit, mit der Abrechnung mit dem Elternhaus. Da ist der gewalttätige Vater, der die fünf Kinder regelmäßig schlägt, vielmehr: sie verprügelt. Und da ist der Vater, der regelmäßig am Freitag in die Moschee geht. Bigotterie, Verlogenheit, Pharisäertum – so würden wir das wohl nennen. Im Gedicht ist der Vater in der Moschee ein anderer als zuhause. Und so kommen bei der Beschreibung der Kindheit auch leise Töne zum Vorschein, wenn etwa eine Libelle auf dem Arm des Vaters landet: „ICH ABER BIN STOLZ AUF DICH / WIE DU DA STEHST UND HALAL GRILLST / NICHT NUR EIN FLÜCHTLING MIT VOLLBART UND JOGGINGKLUFT / JETZT LANDET EINE LIBELLE AUF DEINEM ARM“.

Solche sanften Bilder fehlen in den Gedichten, die folgen. Es sind Gedichte, in denen vom Selbstmordversuch der Mutter geredet wird, von des Vaters „Kauf“ der nächsten Ehefrau übers Internet, dem nächsten Kopftuch. Von dem Versuch, die neuen Geschwister vor der Gewalt des Vaters zu schützen, vom Leben im Heim, genauer gesagt: vom Leben in Heim um Heim. Mit der Entfremdung von der Familie geht auch die Entfremdung von der Religion einher: Auf die Feststellung „FRÜHER DA HAB ICH GESCHWOREN AUF KORAN / ABER JETZT DA SCHWÖR ICH AUF MEIN GOTTLOSIGKEIT“ folgt eine Kriegserklärung mit Worten gegen die Familie: „UND JEDENFALLS STECH ICH EUCH NIEDER / EINEN NACH ANDEREN / ICH BIN DER WAHNSINNIGE SOHN“.
Und doch unterscheidet sich dieser Sohn nicht von seinen Brüdern und Cousins, mit denen er Einbrüche verübt, die er im Gefängnis wiedertrifft, mit denen er sich prügelt.

Am Schluss des Gedichtbandes steht das „Langgedicht“, in dem auf 32 Seiten letztlich alles verdichtet versammelt ist, wovon zuvor die Rede war.

Was dem Band fehlt, sind Worterklärungen arabischer Wörter sowie dänischer Orte und Namen.
Yahya Hassan spricht (und schreibt) eine sehr direkte Sprache: radikale Urteile, vulgäre Sprache – das gehört zu seinen Gedichten dazu. Ob er mit seinen Gedichten aufrütteln will? Wohl kaum. Er will wohl eher provozieren. Und das ist ihm auch gelungen.