Ein pageturner mit vielen losen Enden

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casanni Avatar

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June Hayward und Athena Liu sind College-Freundinnen, die Schriftstellerinnen werden wollen. Während Athenas Debutroman direkt ein Bestseller ist, hat Junes erster Roman nur mittelmäßigen Erfolg. Direkt am Anfang wird klar, dass die Freundschaft der beiden eher pragmatischer als emotionaler Natur ist und June Neid und Missgunst gegenüber Athenas Erfolg empfindet. June, die weniger attraktive, weiße Frau, vermutet, dass die wunderschöne, amerikanisch-chinesische Athena gerade besser dem Zeitgeist entspricht und von den Verlagen gehypt wird.
Als Athena im Beisein von June tragischerweise an einem Pfannkuchen erstickt, stiehlt June Athenas gerade fertig gestelltes Werk; eine Geschichte über das chinesische Arbeiterkorps im Ersten Weltkrieg. Sie gibt das Werk als ihr eigenes aus, überarbeitet es für den Verlag aufwändig und landet einen großen Erfolg. Bald tauchen Zweifel an ihrer Autor:innenschaft auf und June kämpft um ihr literarisches Überleben; um den Erfolg, den sie eigentlich gestohlen hat.

Das Buch ist ein leichter pageturner und durchaus spannend geschrieben - aber weder eine literarische Glanzleistung noch eine überzeugende Geschichte. Die Charaktere des Buches bleiben oberflächlich und im Grunde dreht sich das Buch nur um den verzweifelten Kampf Junes, ihre Leser und sich selbst davon zu überzeugen, dass ihr geistiger Diebstahl gerechtfertigt war und sie ein Recht auf Erfolg hat. Die Geschichte hätte Potenzial - auch zur Verfilmung -, sie ist aktuell und 'zeitgeistig' - aber mit Konstruktionsfehlern und fehlender Tiefe an entscheidenden Stellen.
Es ist unglaubwürdig, dass June die Notizhefte von Athena, die ihren Diebstahl beweisen, bei Athenas Mutter lässt; dass June sich keine Sorgen über rechtliche und finanzielle Konsequenzen ihres Plagiats macht; dass sich das milliardenschwere Verlagswesen von Junes halbgarer Geschichte hinters Licht führen lässt.
Die interessanten Themen werden nur oberflächlich bearbeitet, kommen nur in den Gedanken von June oder in empörten Tweets vor: Ab welchem Grad von Bearbeitung eines Textes kann man von einem eigenen Text sprechen? Hat June kulturelle Aneignung betrieben? Darf ein Autor nur über die eigene ethnische Zugehörigkeit schreiben? Und wie geht man als Autor:in damit um, wenn plötzlich Beifall aus der falschen Ecke kommt? Es sind genau diese Themen, deren Behandlung ich mir bei dem Titel 'Yellowface' gewünscht habe. In einem Interview hat Rebecca Kuang gesagt, dass sie es falsch finde, wenn Autor:innen nur über Menschen wie sie selbst schreiben sollten. Nun, June ist, meiner Meinung nach, ein denkbar schlechtes Beispiel für eine positive kultur-überschreitende Arbeit.

Yellowface wird als "messerscharfe Satire" angepriesen. Nun, ich denke, die tatsächliche Satire wäre, wenn dieses Buch über bewußt gehypten Erfolg, wirklich ein großer Erfolg würde, weil … es bewußt gehypt wird!?