Bewegendes Buch!

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literaturentochter Avatar

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Schon lange nicht mehr bin ich mit einem derart vielfältigen Potpourri an Emotionen aus einem Buch gestolpert.

Der 15-Jährige Mungo wächst in einer feuchten Sozialwohnung in einem Arbeiterviertel in Glasgow auf. Die Welt um in herum ist hart und die Einstellung seiner Mitmenschen im East End ist von toxischer Männlichkeit verseucht.

„Es war komisch, eine Enttäuschung zu sein, weil man ehrlich war und das auch von anderen erwartete“ (S. 15).

Nicht nur die Außenwelt nimmt den zarten und verträumten Mungo als Enttäuschung wahr, auch seine eigene Familie möchte ihn zur Männlichkeit bekehren.
Sein älterer Bruder Hamish ist ein gewaltbereiter, auf Krawall gebürsteter Bandenanführer. Er zwingt Mungo immer wieder dazu ihn auf seinen Streifzügen zu begleiten.
Trost sucht Mungo bei seiner Schwester Jodie, findet jedoch kaum Gehör für seine Gefühle und Gedanken. Denn Jodie ist, wie die auch alkoholabhängige Mutter der drei Heranwachsenden, in ihrem eigenen sorgengetränkten Leben gefangen.

Dann lernt Mungo einen Jungen aus der Nachbarschaft kennen, welcher ebenfalls alles andere als ein fürsorgliches Elternhaus gewohnt ist. Die beiden werden Freunde und ganz langsam wird aus Freundschaft mehr und mehr...

„Es war James, der den Schritt machte. Sein kleiner Finger kam näher und hakte sich bei Mungo ein. Die Elektrizität, die an der Grenze geknistert hatte, sprang über und versengte ihm die Haut“ (S. 150).

Endlich ist da Hoffnung, aber da das Glasgow der 90er Jahre keinen Platz für Homosexualität hat endet auch hier die Abwärtsspirale nicht!

Zum ersten Mal in seinem Leben macht sich Mungo Hoffnung angenommen und verstanden zu werden, aber im Glasgow der 90er Jahre gibt es keinen Platz für Homosexualität.


Nach „Shuggie Bain“ stellt Douglas Stuart mit „Young Mungo“ erneut sein literarisches Talent unter Beweis. Die Figuren, welche am Rande der Gesellschaft leben, sind absolut authentisch herausgearbeitet – nahezu greifbar! Die rohe Gewalt und Brutalität, der Mungo ausgesetzt ist, steht im direkten Kontrast zu seinem aufmerksamen und sensiblen Wesen. Mungos Schicksal durch dieses Buch zu verfolgen weckt bei mir rege Emotionen – am Ende bin ich froh, dass es vorbei ist! Mungo hat genug mitgemacht. Im Vergleich zu seiner Mum mache ich mir nämlich bei nahezu jedem Umblättern Sorgen, was wohl als nächstes grausames passiert!

Da an vielen Stellen Handlungen explizit beschrieben werden kann ich das Buch eingeschränkt empfehlen.

Aus dem Englischen von Sophie Zeitz.