So denkt also ein Killer....

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**Hallgrímur Helgason - 10 Tipps das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen - Rezension**


 »Der isländische Sommer ist wie ein Kühlschrank, den man sechs Wochen offen lässt. Das Licht ist die ganze Zeit an und das Gefrierfach taut, aber richtig warm wird es nie.«

  **Der Klappentext**

 „Eigentlich ist er Kroate, eigentlich lebt er in New York, und eigentlich ist er kein Priester, sondern ein Auftragskiller mit 66 erfolgreich ausgeführten Morden. Bisher. Doch einmal in Island angekommen, bleibt Toxic nichts anderes übrig, als die Rolle eines Predigers zu spielen. Mehr schlecht als recht absolviert er einen Auftritt in einer Fernsehsendung und verliebt sich auch noch in die Tochter seiner Gastgeber. Bald schon droht seine neue Identität aufzufliegen ... Hallgrímur Helgason hat einen spannenden und schrägen Roman am eiskalten Rand Europas geschrieben. Und beweist damit einmal mehr sein Talent als ebenso mitreißender wie beißender Komiker.“ 

**Der Autor**  

Hallgrímur Helgason wurde 1959 in Reykjavík geboren, wo er auch heute noch lebt. Nach dem Studium an der Hochschule für Kunst und Kunstgewerbe in Reykjavík besuchte er ein Jahr lang die Kunstakademie in München. Seit 1982 arbeitet er als Autor und bildender Künstler. Sein erster Roman erschien 1990. Den internationalen Durchbruch schaffte er mit „101 Reykjavík“ aus dem Jahre 1996, der kurze Zeit später auch verfilmt wurde, wie auch sein zuletzt erschienener Roman „Rokland“.


**Personen**  

Damit ihr euch eine genauere Vorstellung von den Charakteren machen könnt, werde ich versuchen, sie euch kurz vorzustellen, damit ihr nicht den Überblick verliert, bevor ich näher auf den Inhalt des Buches eingehen werde:

-          Tomislav Boksic: Auftragskiller der kroatischen Mafia, lebt in New York unter dem Namen Toxic

-          Munita Rosales: südamerikanisches Geliebte Toxics

-          Niko Nevolja: Freund und Auftraggeber Toxics

-          Gutmunduhr und Zickrita: Betreiber eines christlichen Fernsehsenders in Island, Gastgeber Toxics

-          Gunnhildur: Tochter von Zickrita und Gutmunduhr, Affäre Toxics in Island

-          Tortur: christlicher Prediger, der gerne hart durchgreift

**Inhaltsangabe**

Tomislav Boksic ist Auftragskiller für die kroatische Mafia. Gemeinsam mit seiner südamerikanischen Freundin Munita Rosales lebt der aus Split in Kroatien stammende Tomislav in New York, Amerika. Unter dem Decknamen Toxic verbreitet er Angst und Schrecken, denn er führt seine Aufträge stets sehr gründlich aus. Doch dann geht etwas schief. Bei seinem 66. Auftragsmord wird Toxic vom FBI erwischt. Nur mit viel Mühe und knapper Not kann er den Polizisten entkommen und beschließt nun, sich ins Ausland, nach Zagreb abzusetzen. Unter dem Namen Igor Illitsch versucht Toxic also, das Land zu verlassen. Doch der amerikanische Statt hat auf Toxics 66. Mord reagiert und so wimmelt es am Flughafen von New York von Undercoveragenten. Als Toxic dies bemerkt, versteckt er sich in einer Herrentoilette. Dort bringt er den freundlichen Pastor David Friendly um und nimmt dessen Identität an. Mit Hilfe dessen Papiere gelingt es Toxic, nach Island auszureisen, wo Mr. Friendly am Flughafen bereits von zwei Einheimischen erwartet wird. Ohne zu überlegen geht Toxic auf die beiden zu und sie nehmen ihn mit zu sich nach Hause, wo er erfährt, dass er als Fernsehprediger in einer christlichen TV Show auftreten soll.

 

Nach einem Anruf von Niko Nevolja, seinem Auftraggeber und Freund, der Toxic anweist in Island zu bleiben, da nun auch in Zagreb das FBI bereits nach ihm suchen würde, sieht sich Toxic im Haus seiner Gastgeber Gutmunduhr und Zickrita um, die gerade beide auf der Arbeit sind. Dabei bemerkt er eine junge blonde Frau, die im Haus nach etwas zu suchen scheint. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei Gunnhildur, die Tochter seiner Gastgeber handelt. Toxic findet sie sofort sehr sympathisch, muss sich aber wegen seiner Identität als Priester stark zurückhalten.

 

Nach und nach lebt sich der Auftragskiller in Island ein und trifft dort auf viele interessante neue Leute. Doch eines Tages stehen plötzlich zwei Polizisten vor der Türe und fragen nach Mr. Friendly, woraufhin Toxic flieht. Er stiehlt einen Pizzawagen und bricht in ein fremdes Haus ein, in dem er sich einige Tage lang versteckt. Als jedoch die Bewohner des Hauses aus dem Urlaub zurückkehren, sieht er keinen anderen Ausweg mehr, als Gunnhildur um einen Unterschlupf in deren Wohnung zu bitten. Gemeinsam mit Tröster, den Toxic für ihren Bruder hält, wohnt Gunnhildur in einer kleinen unordentlichen Wohnung mitten in Reykjavík. Widerwillig lässt Gunnhildur Toxic auf dem Dachboden der Wohnung übernachten und die beiden freunden sich langsam an und beginnen schließlich eine leidenschaftliche Affäre.

 

Alles könnte nun gut sein, doch Toxic hat seiner Geliebten Munita gegenüber ein schlechtes Gewissen und versucht sie deshalb zu erreichen. Von einem Portier aus Amerika erfährt er schließlich, dass man Munita tot aufgefunden hat. Toxic ist verzweifelt und am Boden zerstört. Er weiß nicht, was er tun soll und sieht in seiner Misere nur einen Ausweg: seinen Selbstmord durch einen Sprung von einer Brücke. Er überlebt diesen Sprung jedoch schwerstverletzt und hat gerade noch genug Kraft, sich zum Haus von Gutmunduhr und Zickrita zu schleppen. Die beiden sind zunächst über sein Erscheinen nicht begeister, beschließen jedoch als gute Christenmenschen, Toxic zu pflegen und vor der Polizei zu verstecken. Mit Hilfe des christlichen Predigers Tortur wollen sie Toxic zurück auf den Weg der Tugend bringen. Zunächst erhält Toxic einen isländischen Pass auf den Namen Tomas Leifur Olafson und somit eine neue Identität. Über Torturs Beziehungen wird es Toxic dann auch noch ermöglicht, in einem Zimmer im Hard Work Hotel zu wohnen, wo er auch einen neuen Job annehmen kann.

 

Wieder scheint für Toxic alles gut zu laufen. Doch ein Mitbewohner stirbt, da er zu viel Koks in seinem Körper geschmuggelt hat. Obwohl die Leiche unauffällig weggeschafft wird, scheint die Polizei etwas bemerkt zu haben und möchte nun im Hard Work Hotel Befragungen durchführen. Toxic kann gerade noch die Pistole des Toten entwenden, als die Polizisten auch ihn befragen wollen. Obwohl Toxic Angst hat, selbst verhaftet zu werden gibt er sich souverän und kann allen Fragen der Polizisten gekonnt ausweichen. Doch nun kann er nicht mehr im Hard Work Hotel bleiben und deshalb beschließt Toxic, bei seiner Affäre Gunnhildur einzuziehen. Diese ist jedoch ganz und gar nicht von seiner Idee begeistert und als Tröster versucht, Toxic im Schlaf zu erwürgen, erfährt er, dass Tröster nicht Gunnhildurs Bruder sondern Verlobter gewesen ist. Nach diesem Zwischenfall muss Tröster ausziehen und Gunnhildur und Toxic können nun auch offiziell ein Paar sein.

 

Gunnhildurs Eltern akzeptieren den neuen Schwiegersohn mit der schwarzen Vergangenheit nur schwer, doch mit der Zeit verstehen sie sich immer besser mit Toxic. Als Gunnhildur ihm nun auch noch eröffnet, dass sie von ihm schwanger sei, scheint für Toxic das Glück perfekt zu sein, bis an einem sonnigen Abend Niko vor der Tür seiner Schwiegereltern steht…

 

Wer hat Munita umgebracht und was will Niko von Toxic, der gerade dabei ist, sich ein neues Leben aufzubauen? Nun das müsst ihr schon selbst lesen ;-)

**Eindrücke**

Der gesamte Roman ist in einer leichten und flüssigen Sprache verfasst, die sich sehr schön lesen lässt. Schon zu Beginn des Buches konnte ich es kaum aus der Hand legen, da es an vielen Stellen spannend ist, aber an anderen Stellen auch zum Brüllen komisch war. Leider störten mich manche Vergleiche von Toxic, die ich an manchen Stellen unangebracht fand und die sich fast nach jedem zweiten Satz fanden. So kategorisiert er zum Beispiel alle Frauen, denen er begegnet nach Tagen. An eine Tag 6 Frau würde er wenn sie die einzige Frau in der Nähe wäre, also am 6. Tag beginnen zu denken. Der schwarze Humor und die Wortspielereien sind einfach grandios. Selbst in den heikelsten Situationen fällt Toxic immer wieder ein cooler Spruch oder sarkastischer Kommentar ein, der mir als Leserin das ein oder andere Schmunzeln entlocken konnte. Jedoch benötigt man eine gewisse Einlesezeit, da man sich zuerst an die morbide, bissige und sehr rabiate Sprache des Auftragskillers gewöhnen muss. Dieser betrachtet im Buch meist nüchtern und emotionslos sein Leben und erst am Ende des Buches zeigt auch der eiskalte Killer Gefühle.

 

Im Verlauf des Romans erfährt man immer mehr Details aus dem Leben von Toxic. Oft erzählt Toxic dem Leser von seinem traurigen Schicksal im Krieg, von den harten Verhältnissen in seiner Familie und man darf auch erfahren, wie der nette Junge Tomislav Boksic zum Auftragskiller wurde. Erst wenn man den Roman zu Ende gelesen hat, kann man die ganzen Teile zu einem fertigen Puzzle zusammensetzen und hat dann eine klare Vorstellung von der Figur Toxic. Alle anderen Personen werden aus der Sicht Toxics charakterisiert. Man kann also nicht genau sagen, wie die einzelnen Protagonisten objektiv betrachtet aussehen und handeln. Durch diese einseitige Betrachtungsweise fehlt leider einigen Charakteren der Tiefgang, obwohl die Person an sich gut beschrieben wird. So finde ich es zum Beispiel sehr schwer, einen genaueren Bezug zu Zickrita aufzubauen und ich weiß auch am Ende des Romans nicht genau, wie ich sie einschätzen soll.

 

Inmitten vieler komischer Stellen finden sich jedoch auch nachdenkliche und sentimentale Passagen. Meist treten diese auf, wenn sich Toxic an den Krieg oder an seine ermordete Freundin Munita erinnert. Auch der Selbstmordversuch zeugt vom wankelmütigen Charakter Toxics, der in Island nicht zurechtkommt und erst durch Gunnhildur lernt, dort zu leben. Durch diese vielen Facetten des Auftragskillers ist es dem Autor sehr gut gelungen, dessen Seelenzustand zu beschreiben. Auch die Wandlung des Killers zum netten Familienvater ist Hallgrímur Helgason gut und glaubwürdig gelungen, obwohl es sich hier um einen 180° Lebenswandel handelt.

 

Mit diesem Roman ist Hallgrímur Helgason ein wirkliches Kunststück gelungen, das durch schwarzen Humor und eine derbe Sprache glänzt. Jedoch ist das Buch nichts für weiche Gemüter, da die Beschreibungen teils sehr morbide sind. Und auch jeder, der ein offenes Ende nicht mag, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Die Geschichte endet nämlich sehr abrupt und man kann sich leider auch nicht wirklich vorstellen, wie es mit Toxic nun weitergehen soll. Man fühlt sich so leider um weitere 10 Seiten betrogen. Mir persönlich hätte ein Happy End in Island gut gefallen, aber das ist alles Ansichtssache.