Kein Mörder, nur ein Vater

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buecherfan.wit Avatar

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Die Leseprobe von Juan Gómez-Jurados Thriller “Zerrissen” beginnt mit einem Prolog, der praktisch das Ende vorwegnimmt. Ich-Erzähler Dr. David Evans sitzt seit etwa fünf Jahren im Todestrakt und wartet auf die Vollstreckung des Urteils. In der Zwischenzeit schreibt er seine Geschichte auf, um zu erklären, wie es dazu gekommen ist. Ein Arzt, der einen Mord begeht? Warum?

Seine Geschichte beginnt mit einer Notfalloperation, die seine Chefin ihm eigentlich untersagt hat. Das sehr junge farbige Bandenmitglied Jamaal Carter wird schwer verletzt in die exklusive Privatklinik Saint Claire in Washington eingeliefert und zwar kurz vor Ende der Bereitschaft von Dr. Evans. Er beschließt, die Kugel aus der Wirbelsäule herauszuholen, damit der Junge nicht für immer gelähmt bleibt. Dadurch verzögert sich seine Heimkehr zu seiner 7jährigen Tochter Julia, die sich in seiner Abwesenheit in der Obhut der Haushälterin Svetlana befindet.

Aus der Buchbeschreibung wissen wir mehr, als die Leseprobe enthält. Ein Psychopath namens Mr. White hat Svetlana getötet und die Tochter entführt. Um ihr Leben zu retten, muss er den nächsten Patienten sterben lassen. Wie Dr. Evans sich entscheiden wird, ist vom Ende her offensichtlich, aber was genau passiert, und wer soll sterben?

Die Leseprobe aus dem neuen Buch des für seine hoch spannenden Romane bereits bekannten Autors liest sich sehr gut und wirkt tatsächlich bereits in dieser Form wie eine Vorlage für einen Hollywoodfilm. Noch interessanter als der filmisch erzählte Plot ist allerdings die zugrunde liegende ethische Frage, wie weit Eltern zu gehen bereits sind, um ihre Kinder zu schützen. Darum ging es auch schon in Hermann Kochs bekanntem und vielfach ausgezeichnetem Bestseller “Angerichtet”, den ich faszinierend fand. Ich bin gespannt, ob Gómez-Jurado die Auseinandersetzung mit diesem Thema genauso gut gelungen ist.