Die Vergangenheit ist nicht verhandelbar

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buecherfan.wit Avatar

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In ihrem Debütroman “Zertrennlich” (im Original “The Twins”) erzählt Saskia Sarginson, selbst Mutter von Zwillingen, die Geschichte von Viola und Isolte, die einst unzertrennlich waren, die sich aber später völlig unterschiedlich entwickelten. 1987, in der Erzählgegenwart, arbeitet Isolte genannt Issy für ein Modemagazin und ist mit dem Fotografen Ben liiert, während Viola sich selbst zum Verschwinden bringen will. Sie leidet seit vielen Jahren unter Anorexie und wird wieder einmal in der Psychiatrie zwangsernährt. Isolte liebt ihre Schwester, kann ihr aber lange Zeit nicht helfen. Erst als sie ihren Job verliert und sich auf Bitten ihrer Schwester nach Suffolk an den Ort ihrer Kindheit begibt, leitet sie die Wende ein. Als die Zwillinge zwölf Jahre alt waren, hat es traumatische Erlebnisse gegeben, die ihrer beider Leben für immer verändert haben. Sie sind nur unterschiedlich damit umgegangen. Isolte verdrängt und führt ein nach außen erfolgreiches, glanzvolles Leben, während sich Viola durch Selbstzerstörung bestraft. Was ist damals geschehen?

1972 leben die Kinder mit ihrer Mutter Rose in einer Hütte in Suffolk im Wald, nachdem die Familie eine Kommune in Wales verlassen hat. Sie halten Tiere und bauen ihr Gemüse selbst an. Die Mädchen werden zum Mut zur Freiheit erzogen und durchstreifen die Wälder, wo sie eines Tages die Zwillinge John und Michael kennenlernen. John und Viola fühlen sich stark zueinander hingezogen, aber niemand darf das wissen. Rose lernt den Witwer Frank mit seiner kleinen Tochter Polly kennen und plant mit ihm eine gemeinsame Zukunft. Die Mädchen wollen die Liebe und Aufmerksamkeit ihrer Mutter mit niemand teilen und .treffen folgenschwere Entscheidungen.

Sarginsons Roman liest sich gut, aber nicht mühelos, da die Autorin ihre Geschichte mit ständigem Wechsel der Perspektive und der Zeitebene erzählt, wobei Viola zur Ich-Erzählerin vergangener und gegenwärtiger Ereignisse unter Einbeziehung ihrer nie abgeschickten Briefe an John wird, während der übrige Roman in der dritten Person erzählt wird. Die Autorin behandelt anhand des Schicksals der ungleichen Schwestern neben der besonderen Art von Zwillingsbeziehungen vor allem den Umgang mit Schuld und Traumata. Während der Leser von Anfang an die Konsequenzen der zentralen Ereignisse vor Augen hat, erfolgt die Auflösung des Rätsels erst zum Schluss, den man als halboffen bezeichnen könnte. Wie wird es mit Viola und Isolte weitergehen?

Der Roman ist spannend, wenn auch kein Thriller: ein kleines Mädchen verschwindet, aber die Autorin hat keinerlei Interesse an der Aufklärung eines Kriminalfalls. Mich stören einige Szenen mit Grausamkeiten gegenüber Tieren, vor allem aber der sehr gewollt wirkende deutsche Titel. Eine Übersetzung des Originaltitels wäre nicht unpassend gewesen. Dennoch ein durchaus empfehlenswerter Roman.