Nicht ganz wie erwartet

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simone1711 Avatar

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Viola und Isolte - benannt nach Shakespeare-Figuren - leben mit ihrer Mutter Rose allein in einem Häuschen im Wald, nachdem sie eine Hippie-Kommune verlassen haben. Sie sind eineiige Zwillinge, und dennoch in mancher Hinsicht sehr unterschiedlich. Isolte, genannt Issy, ist forscher und selbstbewusster, Viola etwas zarter im Gemüt. Sie hat manchmal das Bedürfnis, eigenständiger zu sein, mehr Raum für sich zu haben. So gelingt es ihr auch, manches vor ihrer Zwillingsschwester geheim zu halten.

Die beiden lernen John und Michael kennen, ebenfalls ein Zwillingspärchen, das nicht viel behüteter aufwächst als sie. Während Isoltes und Violas Mutter trinkt, kaum die Kinder ernähren kann und ihre Hippie-Ansichten pflegt (eine solide Schulbildung scheint ihr nicht so wichtig zu sein), ist der Vater der beiden Jungen viel unterwegs und extrem aggressiv, wenn er mal zu Hause ist, worunter die ganze Familie leidet.

Es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den vieren, sie streifen wild durch die Wälder, denken sich gruselige Fantasiegeschichten aus und schwänzen die Schule. Viola und John verlieben sich im Lauf der Zeit ineinander und nähern sich zaghaft einander an. Doch ein großes Missverständnis - John küsst aus Versehen Issy - und ein schlimmes Unglück zerstören alles.

Rose lernt einen alleinerziehenden Vater, Frank, kennen und verliebt sich in ihn. Viola und Isolte sehen ihn und seine kleine Tochter Polly als nervige Eindringlinge, sie wollen ihre Mutter weiter für sich allein haben. Teils aus diesem Egoismus heraus, teils aus dem Unverständnis, warum Rose sich auf einmal anders verhält, der Erziehung mehr Bedeutung beimisst, es auf einmal sogar gekaufte Supermarktnahrung statt selbst gesammelter Naturlebensmittel bei ihnen gibt, tun sie ihr Möglichstes, Frank und Polly zu vergraulen. Polly wird ihnen regelmäßig aufs Auge gedrückt, sie stört sie bei ihren Aktivitäten mit John und Michael. Als sie in einer Vollmondnacht ein lange geplantes Ritual durchführen wollen und gleichzeitig auf Polly aufpassen sollen, kommt es zur Katastrophe. Polly verschwindet - ist sie entführt worden, ermordet worden? Frank löst die Verlobung, und Rose, die wieder angefangen hat zu trinken, ertränkt sich im Meer. Die beiden Mädchen müssen ihr Zuhause verlassen und nach London zu ihrer Tante ziehen.

Hier entfaltet sich die ganze Unterschiedlichkeit der beiden - während Isolte nun versucht, angepasster an ihre Umwelt zu sein, Freunde findet, zur Schule geht, verliert Viola immer mehr den Halt. Sie rutscht ab in die Magersucht und Einsamkeit, denn sie vermisst John. Isolte will nichts mehr von der Vergangenheit wissen, Issy vergräbt sich darin. Später ist Isolte beruflich erfolgreich, während Viola künstlich ernährt in einer Klinik liegt. Sie finden nicht mehr zueinander, bis Isolte auf Wunsch ihrer Schwester in die alte Heimat fährt und nach den Zwillingsbrüdern sucht. Was sie dort erfährt, könnte Viola entweder den Rest geben - oder sie retten.

Der Funke, den ich bei der Leseprobe verspürt habe, ist leider nicht ganz übergetreten als ich den Rest der Geschichte gelesen habe. Es ist auf jeden Fall gut geschrieben und sehr authentisch (kein Wunder, die Autorin hat viele persönliche Erfahrungen verarbeiten können), aber manches kam mir sehr unnötig und unwahrscheinlich vor. Trotzdem hat mich das Buch sehr gut unterhalten und die Geschichte mit Polly hat mich sehr mitgenommen. Es ist ein Buch, das wenig Fragen beantwortet - auch wenig moralische Fragen - und dafür viele stellt, die man sich selber beantworten muss.