Der tote Briefkasten

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Wer erinnert sich noch an die Deutsche Demokratische Republik aus dem Jahr 1985? Elisabeth Herrmann so scheint es. Und wie. Atmosphärisch schildert sie das beklemmende Gefühl der Überwachung, des Ausgeliefertsein. Aber auch der Erleichterung wenn der Kelch noch einmal an einem vorübergegangen ist.

In einem Kinderheim auf der Insel Rügen wird in einer Sonntagnacht im August des Jahres 1985 ein Kind ausgetauscht. Judith Kepler war vor einigen Wochen der Aufsicht Martha Jonas unterstellt worden. Eine stämmige siebenjährige, mit braunem Haar aus asozialen Verhältnissen. In dieser Nacht nun, taucht plötzlich ein anderes Mädchen an ihrer Stelle auf. Ein kleiner blondgelockter Engel mit Namen Christel. Die stellvertretende Heimleiterin Hilde Trenkner und ein Stasi Mitarbeiter machen Martha unmissverständlich klar, dass diese Christel ab sofort Judith Kepler zu sein hat. Ein Blutfleck am Mantelaufschlag des Mannes und sein Wissen über ihr Hören von Westradio machen Martha klar, dass sie bei dieser Verschwörung mitspielen muss, wenn sie nicht hinter Gittern landen will.

Einige Jahre später begegnen wir Judith Kepler wieder. Sie lebt im wiedervereinten Berlin und ist ein Cleaner. Jemand der hinter den Toten aufräumt und sauber macht. Aber um welche Judith Kepler handelt es sich?

In diesem Roman ist man von der ersten Seite an zu Hause. Flüssig geschrieben, mit viel Liebe zum Detail. Zum Beispiel die Stelle als die kleine Christel zum ersten Mal Martha begegnet. In der Hand ein Monchichi, das es in der DDR gar nicht zu kaufen gab. Das sind so die Momente, wo man sich als Kind der achtziger Jahre zurückerinnert. Herrmann fängt diese Stimmungen ein und gibt sie an den Leser weiter.

Auch die Beschreibung von Judiths Cleaner Tätigkeit lässt nichts an Offenheit zu wünschen übrig, ohne jedoch geschmacklos oder eklig zu werden. Leseprobe großartig. Gerne mehr von dieser vielversprechenden Autorin.