Judith, die Cleanerin

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naraya Avatar

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Als die Erzieherin Martha, wie bereits viele Abende zuvor, versucht, heimlich den Westfunk zu hören, wird sie Zeugin eines unglaublichen Geschehens: ein kleines Mädchen wird mitten in der Nacht in das Kinderheim gebracht und nimmt den Platz von Judith ein. Die echte Judith ist jedoch verschwunden.

Viele Jahre später erleben wir Judith Kepler bei ihrer Arbeit: sie ist Cleanerin, das heißt, sie betritt den Tatort erst dann, wenn alle anderen ihn bereits verlassen haben. Sie ist diejenige, die die dreckige, unbequeme Arbeit zu leisten hat.

Judith Kepler ist für mich ein zwiespältiger Charakter. Sie erscheint mir sehr hart und verbittert. Für den jungen Praktikanten, der sie bei ihrer schwierigen Arbeit begleitet, hat sie nur Verachtung übrig, ihre Meinung über ihn ist bereits vorgefertigt. Damit entspricht Judith für mich völlig dem Klischee eines erwachsen gewordenen Heimkindes. Interessant wird die Handlung des Romans jedoch durch 2 Faktoren:

1. "Zeugin der Toten" ist einer der wenigen Romane, die ich kenne, die sich nicht mit einem Ermittler, einem Gerichtsmediziner oder einem Bestatter befassen. Nein, Judith Kepler hat eine Arbeit, von der viele (darunter auch ich) nicht wissen, dass es sie überhaupt gibt - obwohl es natürlich logisch erscheint, dass irgendjemand diese Tätigkeit ja erledigen muss. Allein dafür, dass sie einen völligen Außenseiter zu ihrer "Heldin" macht, muss ich die Autorin loben.

2. Die beiden vertauschten Kinder zu Beginn des Romanes machen neugierig: was ist aus der echten Judith geworden? Lebt sie noch? Und wer war die falsche Judith wirklich? Wie wird die Verbindung zu diesem Fall hergestellt?

Fazit: ein Roman, der definitiv neugierig macht, mit einer so ganz anderen "Heldin".