Vertrautes und Irritierendes

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missmarie Avatar

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"Und nun war der zweite Sonntag im Oktober und sie würden es zu guter Letzt doch tun" - das Testament des Großvaters besprechen, der seinem Enkel erst das Haus zu vermachen verspricht, um ihn kurz darauf in eine arrangierte Ehe mit einem Mann aus dem Norden zu geleiten. Spätestens an dieser Stelle hat mich der Roman gepackt.

Yanagihara schafft es, vertraute Szenen (ein Bankier, gut situiert, im übertrieben eingerichteten Wohnhaus, kultiviert) durch kleine Irritationen aufzulösen. Spätestens dann, wenn der Leser wie selbstverständlich über die Freistaates erfährt und wie die Liebe dort funktioniert. Mit kleinen Informationshäppchen gibt die Autorin immer wieder Rätsel auf - um diese zu lösen würde ich das Buch sehr gerne weiterlesen. Was zum Beispiel hat es mit dem zweiten Buch auf sich, das einen Titel auf Hawaiianisch trägt, der übersetzt so viel wie ,,Die Dunkelheit und Entmutigung eines dichten Waldes" bedeutet? Und warum unterstützt der Bankier die Freiheitskämpfer, will gleichzeitig jedoch nichts mit Politik zu tun haben? Spannend sind auch die Verknüpfung der amerikanischen Geschichte mit der Fiktion des Buches.

Ein bisschen Abzug gibt es für Yanagiharas Sprache. Auch wenn sie durchaus künstlerisch schreibt, erscheinen mir einige Sätze sehr lang und vollgestopft. Manches muss man durchaus mehrmals lesen, um die hier so wichtigen Details nicht zu verpassen. Gelungen hingegen sind die Sprachbilder. Wer sonst vergleicht die Weichheit eines Gesprächs ohne politische Themen mit der Konsistenz der Seezunge auf dem Teller?

Leider konnte ich bisher noch keinen Bezug zwischen Cover und Text herstellen. Bisher finde ich das Bild daher eher weniger ansprechend als die Leseprobe.